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Mittwoch, den 27. November 2013 Uhr

Kunstrecht: Verkauf von Kunst oder Antiquitäten weiter unter Wert – wirksam?

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Stellt sich nach einer Auktion oder einem Kunsthandel heraus, dass das Kunstwerk oder die Antiquität erheblich mehr wert ist, als der Einlieferer oder Verkäufer angenommen hatte, so will sich dieser in der Regel gerne vom Kaufvertrag lösen. Und dies ist unter Umständen auch möglich, weiß Rechtsanwalt Dr. Louis-Gabriel Rönsberg, der Mandanten im Kunstrecht vertritt, denn der Kunstkauf könnte wegen Sittenwidrigkeit nichtig oder wegen Irrtums anfechtbar sein.

Der Fall Poussin – Wie wäre er nach deutschem Recht entschieden worden?

Der Verkauf von Poussins Gemälde „Flucht nach Ägypten“ erregte 1986 in der Kunstwelt großes Aufsehen. Das Werk war in einer gemischten Auktion in Versailles als Werkstattarbeit von Poussin angeboten, mit 150.000,00 bis 200.000,00 Francs taxiert und schließlich für 1,6 Mio. Francs von zwei Galeristen ersteigert worden. Dabei war Kunstexperten klar: für ein echten Poussin war der Preis erheblich zu niedrig, für einen unechten erheblich zu hoch. Die beiden Kunsthändler waren bei der Auktion davon ausgegangen, dass das Gemälde von Poussin selber stammt und wurden, nachdem sie viel Zeit und Geld in die Reinigung des Werkes sowie Recherche und Werbung investiert hatten, schließlich von renommierten Experten in ihrer Annahme bestätigt.

Sobald der Sensationsfund festgestellt war, zog die Einlieferin in Paris vor Gericht und verklagte die Kunsthändler auf Rückgabe des Gemäldes. Dabei berief sich ihr Rechtsanwalt auf einen „Irrtum über den Vertragsgegenstand“, der nach französischem Recht zur Annullierung des Vertrages führt. Die Einlieferin gewann das Gerichtsverfahren durch alle Instanzen und erhielt das Gemälde zurück. Die Kunsthändler blieben auf erheblichen Kosten sitzen und schlossen aus Frustration und Unverständnis über das Gerichtsurteil ihre Galerie. Wie würden die Gerichte in Deutschland über einen solchen Fall urteilen? Im Ergebnis vermutlich ähnlich, stellt der im Kunstrecht tätige Rechtsanwalt Dr. Louis-Gabriel Rönsberg fest. Aber auch hier gibt es Ausnahmen.

Anfechtung des Kunst-Kaufvertrages wegen Irrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB

Auch in Deutschland kann ein Kunst- oder Antiquitäten-Kaufvertrag wegen Irrtums angefochten werden, so Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. Bereits im Jahr 1988 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verkäufer eines Gemäldes den Kaufvertrag gem. § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ anfechten kann, wenn er sich über die Identität des Malers geirrt hat. Dabei stellte der BGH zudem fest, dass es nicht darauf ankomme, ob mit dem Irrtum über die Identität des Malers auch ein Irrtum über den wirtschaftlichen Wert des Gemäldes verbunden sei. Es sei vielmehr auch auf die subjektive Wertschätzung des Verkäufers für das Kunstwerk oder die Antiquität abzustellen. Weiter kann den Verkäufer im Einzelfall auch ein Irrtum über die Provenienz des Kunstwerks, über dessen Herstellungsjahr oder die Existenz eines Gutachtens, das die Echtheit eines Kunstwerks bejaht, zur Anfechtung berechtigen.

Irrt sich der Verkäufer jedoch lediglich über den Marktwert des Kunstwerks oder schätzt diesen falsch ein, so stellt dies regelmäßig keinen Anfechtungsgrund dar, denn der Wert oder Marktpreis eines Kunstwerks oder einer Antiquität ist keine Eigenschaft des Objekts im Rechtssinne, sondern nur ein Werturteil, so Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. Der Käufer des Objekts kann sich dagegen in der Regel nicht auf eine Irrtumsanfechtung berufen, da ihm – im Gegensatz zum Verkäufer – auch die Rechte für Kaufmängel zur Verfügung stehen (§§ 434 ff. BGB), die in den meisten Fällen die Irrtumsanfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB ausschließen.

Nichtigkeit des Kunst-Kaufvertrags wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB

Weiter könnte ein Kaufvertrag über ein Kunstwerk oder eine Antiquität, bei dem der Zuschlagspreis oder Kaufpreis und der wirtschaftliche Wert in einem „auffälligen Missverhältnis“ stehen, auch wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein. So hat der BGH etwa im Jahr 2001 einen Kaufvertrag für nichtig gehalten, bei dem drei Grundstücke mit einem Wert von zusammen DM 860.000 für einen Kaufpreis i.H.v. DM 100.000 veräußert wurden und insofern neue Maßstäbe gesetzt. In anderen Fällen ließen Gerichte eine Wertdifferenz von 100 % genügen (sog. „Grenze des Doppelten“). Dabei geht es jedoch letztlich immer um eine Entscheidung im Einzelfall. So ist beim Verkauf von Kunstwerken oder Antiquitäten im Rahmen einer Auktion zu berücksichtigen, dass sich der Einlieferer ja gerade damit abgefunden hat, das der Kaufpreis oberhalb des Limits durch die Nachfrage der teilnehmenden Bieter bestimmt werden soll. Weiter ist für die Ermittlung der Wertdifferenz die Wertbestimmung im Rahmen von Gutachten maßgeblich, die – je nach Gutachter – unterschiedlich ausfallen kann.

Neben dem „auffälligen Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung muss der Kaufvertrag jedoch auch auf einer „Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit“ oder „des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche“ des Vertragspartners beruhen, um sittenwidrig und damit nichtig zu sein (vgl. § 138 Abs. 2 BGB). Und an diesem Erfordernis fehlt es oft, weiß Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. So hat etwa das OLG Köln im Jahr 2006 einen über ein Online-Auktionshaus zustande gekommenen Kaufvertrag für wirksam gehalten, mit dem ein gebrauchtes Gerät mit einem Wert von € 60.000 für € 51 verkauft wurde. Dies wurde vom Gericht damit begründet, dass dem Verkäufer die Mechanismen der Online-Auktion aus Vorgeschäften bekannt gewesen seien und dass auch sonst keine Schwächesituation ausgenutzt worden sei.

Fazit: Ein zu gutes Geschäft kann den Käufer teuer zu stehen kommen

Es liegt in der Natur des Kunstmarktes, dass Händler, Galeristen, Sammler und Kunstinteressierte nach „Schnäppchen“ und unentdeckten Originalen suchen. Und immer wieder gelingt dies auch, wie jüngst wieder der Fall des Perserteppichs gezeigt hat, dessen Wert von einem Auktionator auf € 900 geschätzt wurde und der etwa ein Jahr später bei Christie’s in London 7,2 Millionen Euro einbrachte. Allerdings kann die Freude über den Sensationsfund von kurzer Dauer sein, wenn der Verkäufer oder Einlieferer Ansprüche anmeldet. Ob diese Ansprüche berechtigt sind, ist jedoch immer eine Frage des Einzelfalls, die von einem im Kunstrecht erfahrenen Rechtswalt geprüft werden sollte, so Anwalt Dr. Louis Rönsberg.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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