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Freitag, den 3. November 2023 Uhr

Strafbarkeit der Einfuhr und Ausfuhr von Kunst und Antiquitäten

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Das umstrittene Kulturgutschutzgesetz (KGSG) hat die Voraussetzungen für die legale Einfuhr von Kunst und Antiquitäten nach Deutschland wesentlich verschärft. Vor allem aber hat es auf Grund von handwerklichen Mängeln im Kunst-, Antiquitäten- und Antikenhandel zu einer massiven Verunsicherung geführt. Denn ein Verstoß gegen das Einfuhrverbot des § 28 KGSG kann gem § 83 Abs. 1 Nr 3 KGSG zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren führen. Aber in welchen Fällen kommt § 28 KGSG zur Anwendung und ab wann gilt das Verbot? Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, der auf Kunstrecht spezialisiert ist und Mandanten zum Kulturgutschutzgesetz berät, stellt in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten fest. Hier erläutert er die Voraussetzungen einer Strafbarkeit der Einfuhr und Ausfuhr von Antiquitäten nach dem KGSG.

Strafbarkeit bei Einfuhr aus dem Herkunftsland nach dem 06.08.2016

Gemäß § 28 Nr 1 KGSG ist die Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland verboten, wenn es von einem EU-Mitgliedstaat oder einem UNESCO-Vertragsstaat „als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert“ wird und unter Verstoß gegen dessen Kulturgutschutzrecht aus dessen Hoheitsgebiet verbracht wurde. Was unter „Kulturgut“ zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs 1 Nr 10 KGSG. Dieser Begriff ist sehr weit gefasst und beinhaltet „jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert„. Wann aber Kulturgut im Sinne des § 28 Nr 1 KGSG als von einem anderen Staat „als national eingestuft oder definiert“ gelten soll, bleibt vollkommen offen.

Offen bleibt auch die Frage, auf welchen EU-Mitgliedsstaat oder UNESCO-Vertragsstaat es ankommt, wenn das Kulturgut über die Jahre seinen Weg durch mehrere Länder genommen hat. Sind dann die Kulturgutschutzvorschriften des ursprünglichen Herkunftslandes oder des Landes der letzten Belegenheit maßgeblich? Und welches Land gilt überhaupt als Herkunftsland, wenn z.B. der Fundort nicht dem antiken Herstellungsort entspricht? Eine Regelung für Zweifelsfälle, wie sie § 32 Abs 2 KGSG enthält, fehlt in § 28 KGSG. Das ist vom Gesetzgeber wohl so beabsichtigt, aber warum? Auch hier muss sich der Rechtsanwalt mit einer Auslegung anhand der Gesetzesbegründungen und von Entscheidungen zu Vorgängernormen behelfen. Weiter stellt sich die Frage, ob es für die Strafbarkeit nach § 28 Nr 1 KGSG gleichgültig sein soll, ob das betreffende Land das Objekt z.B. willkürlich oder vollkommen zu Unrecht als sein „nationales Kulturgut“ betrachtet und dessen Ausfuhr verboten hat.

Strafbarkeit bei Vestoß gegen Embargos

Schließlich ist die Einfuhr von Kulturgut gem § 28 Nr 2 und 3 KGSG auch verboten, wenn es unter Verstoß gegen EU-Verordnungen zum Schutz von Kulturgut, d.h. insbesondere Embargo-Vorschriften, wie die Irak- oder Syrien-Verordnung, oder gegen das Protokoll zur Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten, verbracht wurde. Laut Abschnitt 1, Nr 1 des in § 28 Nr 3 KGSG bezeichneten „Protokoll zur Haager Konvention“ (vgl auch § 2 Abs 1 Nr 13 KGSG) verpflichten sich die Vertragsparteien die Ausfuhr von Kulturgut aus einem von ihnen während eines bewaffneten Konflikts besetzten Hoheitsgebiet zu verhindern. „Kulturgut“ in diesem Sinne ist gem Art 1 a) der „Haager Konvention“ (vgl § 2 Abs 1 Nr 7 KGSG) „bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von grosser Bedeutung ist„.

Ferner gilt Kulturgut gem § 32 Abs 1 Nr 1 KGSG nach dem Import nach Deutschland als „unrechtmäßig“ eingeführt, wenn es entgegen nationaler Kulturgutschutzvorschriften nach dem 31.12.1992 aus einem EU-Mitgliedsstaat oder nach dem 26.04.2007 aus einem UNESCO-Vertragsstaat verbracht worden ist. Eine direkte Strafe ist damit nicht verbunden. Diese Qualifikation als „unrechtmäßig eingeführtes“ Kulturgut hat aber zur Folge, dass es gem § 21 Nr 3 KGSG einem Ausfuhrverbot unterliegt sowie gem § 40 KGSG einem Verbot des Inverkehrbringens. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen diese Verbote ist dann wiederum gem § 83 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 KGSG mit Strafe bedroht (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren). Zudem sind sowohl Verpflichtungsgeschäfte (z.B. Kaufverträge) als auch Verfügungsgeschäfte (Übereignungen) über gem § 32 Abs 1 KGSG „unrechtmäßig eingeführtes“ und dann in Verkehr gebrachtes Kulturgut gem § 40 Abs 2 KGSG nichtig.

Strafbarkeit bei Einfuhr aus einem Nicht-Herkunftsland nach dem 06.08.2016

Für die Strafbarkeit nach § 28 Nr 1 KGSG ist es irrelevant, ob das „nationale Kulturgut“ nach der Verbringung direkt nach Deutschland eingeführt wurde, oder ob es sich zwischenzeitlich länger in anderen Ländern befunden hat. Allerdings stellt sich die Frage, ob § 28 Nr 1 KGSG einer zeitlichen Grenze unterliegt, d.h. ob es hinsichtlich des rechtswidrigen Verbringens nicht einen Stichtag gibt, von dem die Strafbarkeit abhängen soll. § 28 Nr 1 KGSG enthält selber keinen solchen Stichtag. § 32 Abs 1 Nr 1 KGSG, der regelt unter welchen Voraussetzungen eine Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland als „unrechtmäßig“ gilt, beschränkt die Anwendung auf Verbringungen die nach dem 31.12.1992 aus einem EU-Mitgliedstaate oder nach dem 26.04.2007 aus einem UNESCO-Vertragsstaat erfolgt sind. Aber soll diese zeitliche Schranke auch für das Verbot in § 28 Nr. 1 KGSG gelten?

Auch hier bedarf das Kulturgutschutzgesetz in Ermangelung einer klaren Regelung wieder einer Auslegung. Für eine analoge Anwendung der Stichtage des § 32 Abs 1 Nr 1 KGSG spräche ein „Erst-recht-Schluss“, denn im Gegensatz zu § 32 Nr 1 KGSG ist § 28 KGSG mit einer empfindlichen Strafe bewehrt. In einem „Leitfaden für die Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland und die Sorgfaltspflichten beim Inverkehrbringen von Kulturgut“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Stand Februar 2019, wird auf Seite 7 auch ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass für die Strafbarkeit nach § 28 Nr 1 KGSG ebenfalls „die Verbringung aus dem Herkunftsland nach bestimmten Stichtagen“ erfolgt sein muss. Wie die Bundesbeauftragte zu diesem wünschenswerten Ergebnis kommt, bleibt unklar. Eine ausdrückliche Regelung, wie sie § 32 Abs 1 Nr 1 KGSG enthält, fehlt in § 28 Nr 1 KGSG jedenfalls.

Strafbarkeit bei Einfuhr vor dem 06.08.2016

Fraglich ist weiter, was für Kulturgut gilt, das bereits vor dem Inkrafttreten des Kulturgutschutzgesetzes, d.h. vor dem 06.08.2016 nach Deutschland eingeführt wurde. Denn gem § 29 Nr 1 KGSG kommt das Einfuhrverbot des § 28 KGSG nicht zur Anwendung, wenn sich das Kulturgut vor dem 06.08.2016 bereits „rechtmäßig im Bundesgebiet“ befand. Was die Voraussetzungen dafür sind, dass Kulturgut im Sinne des Gesetzes als „rechtmäßig im Bundesgebiet“ anzusehen ist und ob es dabei nur auf deutsche Einfuhrbestimmungen oder auch auf die Exportbestimmungen anderer Länder ankommen soll, bleibt wiederum unklar. § 29 KGSG beschränkt das Verbot also erstens auf zukünftige Fälle, um so dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot (Art 103 Abs 2 GG, Art 7 EMRK) zu genügen. Zweitens betrifft die Norm die Wiedereinfuhr von Kulturgut, die auch nach dem 06.08.2016 nicht verboten ist, sofern sich das Kulturgut vor dem Stichtag irgendwann einmal rechtmäßig in Deutschland befunden hat.

Gilt damit also Kulturgut, das vor dem 06.08.2016 nach Deutschland importiert wurde, immer als rechtmäßig eingeführt und kann problemlos weiterveräußert werden? Nein, denn für diese Fälle hat der Gesetzgeber eben § 32 Nr 1 KGSG geschaffen. Nach dieser Norm ist die Einfuhr von Kulturgut „unrechtmäßig„, wenn es nach dem 31.12.1992 aus einem EU-Mitgliedsstaat oder nach dem 26.04.2007 aus einem UNESCO-Vertragsstaat entgegen den in diesem Staat geltenden Vorschriften verbracht worden ist, oder wenn die Einfuhr gegen § 28 KGSG verstößt. Wurde also z.B. Kulturgut nach dem 31.12.1992 illegal aus einem EU-Mitgliedsstaat verbracht und vor dem 06.08.2016 unter Beachtung des deutschen Kulturgutschutzrechts rechtmäßig nach Deutschland eingeführt, so ist die Einfuhr zwar gem § 29 Nr 1 KGSG nicht nach § 28 KGSG strafbar. Gleichwohl gilt das Kulturgut aber gem § 32 Abs 1 Nr 1 KGSG als „unrechtmäßig eingeführt„. Inverkehrbringen und Ausfuhr sind verboten.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg | Partner

Fazit

Anstatt mehr Klarheit und Rechtssicherheit zu bringen, hat das neue Kulturgutschutzgesetz auch hinsichtlich der Einfuhr von Kulturgut nach Deutschland die Rechtslage eher undurchsichtiger gemacht. Damit hat der Gesetzgeber dem Kunst- und Antiquitätenhandel nicht nur einen ungeheuren Verwaltungsaufwand auferlegt, sondern bei diesem auch für eine massive Verunsicherung gesorgt. Die Rechtsanwender müssen nun die zahlreichen Unklarheiten des Gesetzes, die deutlich über eine gewöhnliche Auslegungsbedürftigkeit hinausgehen, in der Praxis kompensieren. Diese müssen sich Gedanken darüber machen, was der Gesetzgeber wohl gemeint haben könnte und ob dies im Einzelfall beim Betroffenen zu einer Strafbarkeit führen soll. Folge ist – wie stets – eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verlagerung der Legislative auf die Executive und Judikative. Verwaltungsbeamte und Richter werden mittels einer sich entwickelnden Verwaltungspraxis und Kasuistik faktisch zum Gesetzgeber. Dies sollte in einem Rechtsstaat, in dem die gesetzgebende Gewalt eigentlich vom Parlament ausgehen, grundsätzlich vermieden werden.

Ob für ein bestimmtes Objekt ein Einfuhrverbot besteht oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die man aufgrund der empfindlichen Strafbewehrung des KGSG vorher geprüft sollte.

Bei Fragen zur Strafbarkeit der Einfuhr und Ausfuhr von Antiquitäten und den Voraussetzungen nach dem Kulturgutschutzgesetz steht Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, der auf Kunstrecht spezialisiert ist, gerne telefonisch (+49-89-51 24 27 0) oder per E-Mail (roensberg@slb-law.de) zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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