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Donnerstag, den 30. Juni 2016 Uhr

Schadensersatz bei Beschädigung oder Zerstörung von Kunstwerken

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Wird ein Kunstwerk oder eine Antiquität beschädigt oder zerstört, so stellt sich die Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen. Diese können gegen eine Versicherung und/oder gegen den Schädiger bestehen. Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Experte für Kunstrecht, erläutert was dabei zu bedenken ist.

1. Ansprüche gegen eine Versicherung

Bei der Beschädigung oder Zerstörung eines Kunstwerks prüft der Anwalt zunächst, ob der Geschädigte selber eine Versicherung abgeschlossen hat, die den Schadensfall mit umfasst. Dies kann etwa eine Hausratsversicherung, eine Objektversicherung, eine Feuerversicherung oder eine Hochwasserversicherung sein. Ob und in welcher Höhe das Kunstwerk, etwa ein zerstörtes Gemälde oder eine zerbrochene Plastik, vom Versicherungsschutz umfasst ist, richtet sich nach den jeweiligen Modalitäten des Versicherungsvertrages bzw. nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen und dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

2. Ansprüche gegen den Schädiger

Weiter prüft der Rechtsanwalt, ob der Eigentümer des Kunstwerks Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger hat. Diese können sich ganz allgemein aus dem Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) oder aus einer vertraglichen Sonderbeziehung (§ 280 Abs. 1 BGB) ergeben, etwa wenn das Kunstwerk oder die Antiquität durch einen Handwerker oder eine Reinigungskraft beschädigt oder zerstört worden ist.

3. Zerstörung von Kunst durch Kinder

Ist für die Beschädigung oder Zerstörung des Kunstwerks ein Kind bzw. ein Minderjähriger ursächlich, so bestehen gegen das Kind selber in der Regel keine Schadensersatzansprüche. Denn Kinder sind bis zum 7. Lebensjahr nicht deliktsfähig d.h. sie haften nicht selber (§ 828 Abs. 1 BGB). Zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr sind sie nur bedingt deliktsfähig d.h. sie haften nur, wenn sie die „zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ haben (§ 828 Abs. 3 BGB). Allerdings haften Eltern gem. § 832 Abs. 1 BGB für ihre aufsichtspflichtigen Kinder, es sei denn, sie haben ihrer Aufsichtspflicht genügt oder der Schaden wäre auch bei „gehöriger Aufsichtsführung“ eingetreten (§ 832 Abs. 1 S. 2 BGB). Gleiches gilt bei einer vertraglichen Übernahme der Aufsicht etwa durch ein Kindermädchen oder einen Kindergarten (§ 832 Abs. 2 BGB).

4. Mitverschulden des Eigentümers

Steht das Verschulden eines Dritten oder ein Versicherungsfall fest, so stellt sich für den Anwalt die Frage, ob den Eigentümer des Kunstwerks oder der Antiquität ein Mitverschulden an der Beschädigung oder Zerstörung trifft. Denn bei einem Mitverschulden ist der Schadensersatzanspruch gem. § 254 Abs. 1 BGB um den Verschuldensanteil des Geschädigten zu kürzen. Ein Mitverschulden kann etwa darin bestehen, dass das Kunstwerk oder die Antiquität nicht ausreichend gegen Beschädigung gesichert wurde. Je nachdem welchen Wert und welche Bedeutung ein Objekt hat und wie es räumlich der Beeinträchtigung durch Dritte ausgesetzt ist, kann es etwa erforderlich sein dieses besonders zu befestigen oder anderweitig gegen Umstoßen, Anlehnen oder Hängenbleiben abzusichern.

Eher selten sind die Fälle, in denen ein Kunstwerk beschädigt oder zerstört wird, weil es nicht als Kunstwerk erkannt wurde. So etwa bei der Beuys’schen Badewanne, die während einer Feier in den Museumsräumen gereinigt und zum Kühlen von Getränken zweckentfremdet wurde.

Das einst zerstörte Kunstwerk von Joseph Beuys aus dem jahr 1960 befindet sich heute wiederhergestellt im Lenbachhaus in München.

Hier besteht das Mitverschulden des Eigentümers oder Besitzers u.U. darin, dass er das Kunstwerk nicht ausreichend gekennzeichnet hat. Auch bei sehr instabilen oder vergänglichen Kunstwerken kann der Verschuldensanteil des Schädigers bis auf Null reduziert sein, wenn eine Veränderung für den Eigentümer vorhersehbar war (vgl. LG Hof, NJW 1990, 1998). Grundsätzlich gilt jedoch das Grundprinzip der „Totalreparation“, wonach der Schuldner den gesamten Schaden ersetzen muss, unabhängig von der Vorhersehbarkeit oder dem Grad seines Verschuldens.

5. Art und Umfang des Schadensersatzes

Weiter stellt sich die Frage, wie im Falle der Beschädigung eines Kunstwerks oder einer Antiquität der Schadensersatz konkret ausgestaltet ist. Nach deutschem Recht hat ein Schädiger grundsätzlich die Pflicht den Geschädigten wieder so zu stellen, als wäre der Schaden nie eingetreten, § 249 Abs. 1 BGB. Diese sogenannte „Naturalrestitution“ kann entweder durch eine vollständige Reparatur des Kunstwerks oder die Beschaffung einer gleichwertigen Arbeit geschehen. Bei Kunstwerken ist es nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg regelmäßig schwer eine „gleichwertige Sache“ zu finden, es sei denn das Werk war Teil einer Serie. Bei der Reparatur ist vom Schädiger neben den Kosten der Restaurierung auch der wertmäßige Schaden zu ersetzten, der dadurch entsteht, dass das Kunstwerk nun nicht mehr vollständig im Originalzustand ist (sog. „merkantiler Minderwert„).

Wählt der Geschädigte die Reparatur oder Ersatzbeschaffung, so muss er diese dann nicht notwendig durchführen. Er kann gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger auch einfach den dazu erforderlichen Geldbetrag (veranschlagte Restaurierungskosten oder Wiederbeschaffungswert) verlangen. Ein Versicherer schuldet sogar regelmäßig nur Schadensersatz in Geld und ist nicht zur tatsächlichen Reparatur oder Ersatzbeschaffung verpflichtet. Der Geschädigte muss jedoch nach der Rechtsprechung regelmäßig die Alternative wählen, die den geringeren Aufwand erfordert (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot), denn er soll an dem Schaden nichts verdienen (sog. Bereicherungsverbot). Wird die Reparatur aber tatsächlich durchgeführt, so sind ihre Kosten auch dann zu ersetzten, wenn sie höher sind als die einer Ersatzbeschaffung. Ist eine Ersatzbeschaffung tatsächlich nicht möglich, etwa weil gleichwertige Sachen auf dem Markt nicht erhältlich sind, so besteht auch kein Anspruch auf den Wiederbeschaffungswert.

Anspruch auf vollständigen Wertersatz unter Verzicht auf das Kunstwerk hat der Geschädigte dagegen nur, wenn die Naturalrestitution (Restaurierung oder Ersatzbeschaffung) unmöglich ist, etwa bei einer vollständigen, irreparablen Zerstörung des Kunstwerks (§ 251 Abs. 1 BGB) oder wenn der Geschädigte dem Schädiger erfolglos eine angemessene Frist gesetzt und die anschließende Ablehnung angedroht hat (§ 250 BGB). Sind die Voraussetzungen für den Wertersatz gegeben, so kann der Geschädigte das beschädigte oder zerstörte Kunstwerk entweder behalten oder an den Schädiger herausgeben. Behält er es, so ist der Restwert des Kunstwerks auf den Schadensersatzanspruch angerechnet (vgl. BGH NJW 92, 903).

6. Ermittlung des Wertes des Kunstwerks oder der Antiquität

Im Falle des vollständigen Wertersatzes ist der sog. Wiederbeschaffungsaufwand zu ersetzten. Der Wiederbeschaffungsaufwand ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des Kunstwerks. Dabei ist nicht der Preis maßgeblich, den der Eigentümer beim Verkauf erlöst hätte (sog. „Zeitwert“), sondern der Wert, der beim Kauf an einen seriösen Händler zu zahlen wäre. Dieser liegt wegen der Händlerspanne erheblich über dem Zeitwert. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg muss der Wert im Gerichtsverfahren regelmäßig durch einen Gutachter ermittelt werden, der dann Angebot und Nachfrage von vergleichbaren Kunstwerken auf dem aktuellen Kunstmarkt untersucht. Das ist freilich nur dann möglich, wenn der betreffende Künstler am Kunstmarkt nachweisbar ist und Verkaufserfolge verzeichnen kann.

Wichtig ist auch, wie renommiert die Orte der Verkäufe sind (Renommee des Auktionshauses oder der Galerie usw.). Dabei sind in der Vergangenheit erzielte Preise kein zwingender Hinweis auf den aktuellen Wiederbeschaffungspreis. Auch stellt der Anschaffungspreis nach der Rechtsprechung keine Untergrenze für den Wiederbeschaffungswert dar. Existiert kein repräsentativer Markt für das beschädigte Kunstwerk und somit auch kein marktüblicher Preis, so ist der Verkehrswert anhand anderer Kriterien zu bestimmen (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 26.11.2009, Az. 3 U 103/06, Rn. 29).

Im Prozess sind die Richter berechtigt den Wert zu schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Allerdings soll die Schätzung nach der Rechtsprechung des BGH nah am wirklichen Wert sein (vgl. BGH Urteil v. 16.12.1963, Az: III ZR 47/63). Fehlen dem Gericht jedoch greifbare Anhaltspunkte zur Ermittlung des Wertes eines Kunstwerks, so ist auch eine Schätzung unzulässig, da das Ergebnis letztlich aus der Luft gegriffen wäre (vgl. BGH, Urteil v. 22.05.1984, Az. III ZR 18/83; BGH, Urteil v. 26.11.1996, Az. VIII ZR 260/85).

7. Weitere Schadenspositionen


Den Gewinn, den der Geschädigte bei einem Verkauf des Kunstwerks erzielt hätte (sog. „entgangener Gewinn„), kann er im Rahmen des Schadensersatzes gem. § 252 BGB nur verlangen, wenn er nachweisen kann, dass ein Verkauf bereits konkret geplant war. Dieser entgangene Gewinn kann im Einzelfall auch über dem objektiven Verkehrswert liegen. Nicht ersatzfähig sind dagegen immaterielle Schäden, etwa der zusätzliche Wert den ein Kunstwerk nur für den Eigentümer persönlich hat, weil besondere Erinnerungen damit verknüpft sind (z.B. Erbstücke oder Geschenke).

Die Kosten für ein außergerichtliches Sachverständigengutachten (sog. Parteigutachten) muss der Schädiger nur ersetzten, soweit dieses zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (vgl. BGH NJW 74, 35; 14, 1947). An die Ersatzfähigkeit von Gutachten sind jedoch nach der Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen. Denn generell hat im Rechtsstreit jede Partei ihre Anspruchsberechtigung bzw. Einstandspflicht in eigener Verantwortung zu prüfen und die dadurch entstandenen Kosten selbst zu tragen (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 26.11.2009, Az. 3 U 103/06, Rn. 48ff.).

8. Fazit

Die Folge einer Beschädigung oder Zerstörung eines Kunstwerken bedeutet für dessen Eigentümer nicht nur eine schlichte Werteinbuße, sondern sie wirft auch eine ganze Reihe von klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Die Besonderheit liegt bei Kunstwerken darin, dass diese für ihren Eigentümer, etwa einen Kunstliebhaber, einen sehr hohen emotionalen Wert haben können, der über den bloßen Wiederbeschaffungswert hinaus geht und dass es sich für gewöhnlich um Einzelstücke handelt, die nicht einfach nachgekauft werden können. Welche Ansprüche dem Geschädigten konkret zustehen und wie sich der Schädiger am besten gegen unberechtigte Ansprüche verteidigt, sind Fragen des Einzelfalls die von einem im Kunstrecht erfahrenen Rechtsanwalt geklärt werden sollten.

Für Fragen zur Rechtslage bei der Beschädigung oder Zerstörung von Kunstwerken, Antiquitäten oder Oldtimern oder allgemein zum Kunstrecht steht Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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