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Freitag, den 20. April 2018

Musikinstrumente und ihre Mängel – Rechtsanwalt informiert

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Ein Musikinstrument wächst seinem Besitzer immer mehr ans Herz je länger er es kennt und spielt und wird so für ihn schließlich unbezahlbar. Besonders alte Geigen, Celli oder Bratschen verkörpern aber oft auch einen hohen monetären Wert und erzielen bei Auktionen oder Privatverkäufen mitunter Preise im sechsstelligen Bereich oder gar in Millionenhöhe. Umso ärgerlicher ist es, wenn sich nach einem Kauf herausstellt, dass sich der Verkäufer und/oder der Käufer über das Alter, den Erbauer, die Provenienz oder den Zustand des Musikinstruments getäuscht haben oder dass die Violine oder z.B. der Konzertflügel Reparaturen aufweist, die der Verkäufer bei den Vertragsverhandlungen verheimlicht hat. Auch bewusste Fälschungen oder Verfälschungen von Musikinstrumenten oder dazugehörigen Expertisen und Dokumenten kommen immer wieder vor, weiß Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg aus seiner anwaltlichen Praxis.

Auf den Instrumentenkauf anwendbares Recht

Kommen Verkäufer und Käufer des Musikinstruments aus unterschiedlichen Ländern, so stellt sich für den Rechtsanwalt zunächst die Frage, welches Recht auf den sogenannten grenzüberschreitenden Instrumentenkaufvertrag anzuwenden ist. Geht es dabei um Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so ergibt sich das anwendbare Recht aus der ROM-I-Verordnung, unter Kaufläuten ist u.U. das UN-Kaufrecht anwendbar. Neben der Frage in welchem Land der Kaufvertrag geschlossen und abgewickelt wurde, kann es dabei auch darauf ankommen, ob der Musikinstrumentenkaufvertrag eine wirksame Rechtswahlklausel enthält, entweder direkt oder indirekt über eine Verweisung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen. Weiter kann es darauf ankommen, ob eine Partei als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und die andere als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB anzusehen war und ob der Geigenhändler oder das Auktionshaus auch eine Niederlassung im Land des Verbrauchers hatte. Muss geklagt werden, so wird der Rechtsanwalt weiter prüfen welches Gericht für den Prozess national und örtlich zuständig ist. Idealerweise aber nicht notwendig passen das anwendbare Recht und das zuständige Gericht national zusammen.

Rechtsberatung beim Kauf von Musikinstrumenten

Mängelgewährleistung und Irrtumsanfechtung bei Musikinstrumenten

Der Wert von Musikinstrumenten wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt. Neben dem Klang sind dies vor allem der Erbauer, das Alter, der Erhaltungszustand und die Provenienz, d.h. die Liste der Vorbesitzer. So kann es einen erheblichen Wertunterschied bedeuten, ob eine Geige in der Anfangszeit oder in der Blütezeit von Stradivari um 1714 entstand und ob die Violine einen oder mehrere berühmte Vorbesitzer aufzuweisen hat oder ob ihre Provenienz weitgehend unbekannt ist. Lassen sich Klang und Erhaltungszustand vor Abschluss eines Kaufvertrages meist relativ einfach überprüfen, so kommt es nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg besonders in Bezug auf den Erbauer und das Alter oft zu Irrtümern. Über die Jahrhunderte wurden beispielsweise immer wieder Geigenzettel ausgetauscht oder überklebt, etwa um Zoll- oder Steuern zu sparen. Ist kein Geigenzettel vorhanden, so kommt es auf die Zuschreibung von Experten an. Das Alter eines Musikinstruments aus Holz kann beispielsweise mit einer dendrochronologischen Untersuchung anhand der Jahresringe bestimmt werden. Die Radiokarbonmethode eignet sich dagegen nicht, weil hierfür eine Probe des Holzes entfernt werden müsste und da die Methode für den Zeitraum von 1700 bis 1900 keine eindeutigen Ergebnisse liefern kann.

Um einen rechtlich relevanten Mangel des gekauften Instruments handelt es sich jedoch nur, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB vorliegen, d.h. wenn das Musikinstrument bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen hat (§ 434 Abs. 1, S. 1 BGB), wenn es sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1, S. 2, Nr. 1 BGB) oder wenn es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten konnte (§ 434 Abs. 1, S. 2, Nr. 2 BGB). Hier wird der Rechtsanwalt anhand der einschlägigen Rechtsprechung zu Musikinstrumenten und vergleichbaren Kulturgütern prüfen, ob ein Mangel im Sinne des Gesetzes vorliegt. Ferner wird er prüfen, ob und inwieweit die Gewährleistung wirksam vertraglich ausgeschlossen wurde und ob und welche Eigenschaftszusicherungen verbindlich getroffen wurden. Darüber hinaus kann der Käufer den Kaufvertrag über das Musikinstrument auch gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten, wenn er vom Verkäufer arglistig getäuscht wurde.

Hat das Musikinstrument einen Mangel i.S.d. § 434 BGB und sind die Mängelgewährleistungsrechte nicht vertraglich ausgeschlossen, so kann der Käufer gemäß § 437 Nr. 1 BGB Nacherfüllung verlangen. Bei alten Musikinstrumenten wie Geigen, Celli oder Bratschen wird eine Nacherfüllung, d.h. Nachbesserung oder Nachlieferung, jedoch eher selten möglich sein, da das vertraglich geschuldete Instrument im vertraglich geschuldeten Zustand am Markt nur selten mehrmals verfügbar ist. Auch eine falsche Provenienz oder Zuschreibung lässt sich nicht „reparieren“. Ist eine Nacherfüllung nicht möglich oder wird diese vom Verkäufer verweigert, so kann der Käufer den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2, 2. Alt. BGB) oder vom Kaufvertrag zurücktreten (§ 437 Nr. 2, 1. Alt. BGB) und Schadensersatz verlangen (§ 437 Nr. 3 BGB). Zu beachten ist jedoch die vergleichsweise kurze Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1, Nr. 3 BGB von zwei Jahren ab Ablieferung. Wurden die Mängel des Musikinstruments vom Verkäufer arglistig verschwiegen, so gilt gem. § 438 Abs. 3, S. 1 BGB die längere allgemeine Verjährung.

Kulturgutschutzgesetz (KGSG) – Anwendbarkeit auf Musikinstrumente

Soll ein Musikinstrument zum Zwecke des Verkaufs oder nach einem Verkauf vorübergehend oder langfristig von Deutschland aus ins Ausland verbracht werden, so müssen nach dem Kulturgutschutzgesetz (KGSG) bestimmte Alters- und Wertgrenzen beachtet werden. Ist das Instrument als „nationales Kulturgut“ i.S.d. § 6 Abs. 1 KGSG einzustufen oder fällt es unter die Kriterien des § 24 Abs. 2 KGSG, so ist vor der Ausfuhr in ein Binnen- oder Drittland eine Genehmigung der zuständigen Behörde (in NRW beispielsweise des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft) einzuholen. Gemäß § 24 Abs. 4 KGSG ist der für die Genehmigungspflicht maßgebliche finanzielle Wert des Kulturgutes der innerhalb der letzten drei Jahre gezahlte Preis bei einem An- oder Verkauf. Wurde das Instrument innerhalb dieses Zeitraums nicht verkauft, so kommt es auf den begründeten inländischen Schätzwert zum Zeitpunkt der Antragstellung an. Zuwiderhandlungen sind gem. § 83 KGSG mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht.

Auktionskauf von Musikinstrumenten

Wird ein Musikinstrument in einer Auktion gekauft oder verkauft, so sind eine Reihe von Besonderheiten zu beachten. Der Einlieferer sollte bereits bei Abschluss des Einlieferungsvertrags mit dem Auktionshaus sicherstellen, dass über den Mindestpreis („Limit“ oder „Reserve“), über die Höhe der Provisionen von Käufer und Verkäufer („Aufgeld“ und „Abgeld“) sowie über die sonstigen Kosten für die Abholung, Lagerung, Katalogerstellung und Versicherung Einigkeit besteht. Auch sollte geklärt werden, ob der Versteigerer bei Nichterreichen eines Mindestpreises das Recht haben soll, das Los unter Vorbehalt zuzuschlagen, in einer weiteren Auktion anzubieten oder im Nachverkauf zu veräußern. Schließlich sollten vom Einlieferer und von den Bietern vor der Auktion die Allgemeinen Versteigerungsbedingungen des Auktionshauses daraufhin überprüft werden, mit wem im Falle eines Zuschlages der Kaufvertrag zustande kommt (Vertretungs- oder Kommissionsgeschäft), ob und wieweit die Gewährleistung ausgeschlossen ist und wie verbindlich die Angaben zu den Instrumenten im Auktionskatalog sein sollen.

Fazit

Der Verkauf oder Kauf von alten Musikinstrumenten wie Geigen, Bratschen oder Celli birgt eine Reihe von rechtlichen Risiken. Es empfiehlt sich daher den Kaufvertrag, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Geigenhändlers oder die Einlieferungs- und Versteigerungsbedingungen des Auktionshauses zuvor von einem spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.

Ob und welche Rechte Verkäufer und Käufer von Musikinstrumenten im Fall von Sachmängeln oder Irrtümern haben, sollte von einem Anwalt mit Branchenkenntnis im Einzelfall ermittelt werden.

Für Fragen zum Musikinstrumentenrecht und den mit einem Rechtsstreit verbundenen Kosten steht Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg gerne unverbindlich zur Verfügung. Dr. Rönsberg hat beispielsweise im Jahr 2018 die Verkäuferseite bei der Transaktion der „Cobbett“ Stradivari (1721) beraten.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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