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Mittwoch, den 9. März 2016 Uhr

Handelsvertreterausgleich in der Autovermietung gem. § 89b HGB

Rechtsgebiete: Handelsrecht & Vertriebsrecht

Kündigt ein Autovermietungsunternehmen wie Sixt, Avis, Europcar, Hertz, Budget oder auch eine kleinere Autovermietung eine Agentur bzw. einen Handelsvertreter, so schuldet es diesem für gewöhnlich gem. § 89b HGB Handelsvertreterausgleich. Voraussetzung ist freilich, dass zwischen der Autovermietung und dem Unternehmen ein Agenturvertrag bzw. Handelsvertretervertrag über die Vermittlung von Automietverträgen bestand und dass dieser Vertrag vom Autovermietungsunternehmen ordentlich gekündigt wurde. Kündigt der Handelsvertreter bzw. die Agentur, so besteht dagegen nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich.

Oftmals wird das Vertragsverhältnis zwischen Autovermietungsunternehmen und Autovermietungsagentur auch im Rahmen einer Änderungskündigung beendet. So ist es in der Autovermietungsbranche üblich, dass den Agenten nach von Zeit zu Zeit ordentlich gekündigt wird mit der Möglichkeit das Vertragsverhältnis zu anderen Konditionen fortzusetzten. Lehnt die Agentur die Vertragsänderung ab, so hat sie wiederum regelmäßig Anspruch auf Handelsvertreterausgleich. Im Bereich Autovermietung gelten dabei bestimmte Besonderheiten, die der Anwalt bei der Berechnung und Verhandlung beachten sollte. Einige für die Autovermietung typische Problemkreise fasst Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg im Folgenden zusammen.

Provisionierung

Eine Besonderheit besteht zunächst darin, dass die Berechnung und Zusammensetzung der Provisionen für die Autovermietung oft sehr intransparent gestaltet ist. So ist die Vertriebsprovision der Autovermietungsstation oft von codierten, undurchsichtigen Tarif- und Bonussystemen abhängig („Rate Analyisis Code“ oder „CDP-Nummer“) und variiert zwischen 10 bis 30 Prozent des Umsatzes. Je nach Kundenklassifikation kann ein anderer Provisionssatz fällig werden (Contracted Rates, Non-Contracted Rates, Monthly usw.). Das kann es dem Handelsvertreter oder Agenturbetreiber fast unmöglich machen die Abrechnungen ohne sachkundige Hilfe nachzuvollziehen. Eine genaue Analyse der von der Autovermietung getätigten Umsätze ist aber gerade die notwendige Grundlage für die Ermittlung der Höhe des Handelsvertreterausgleichsanspruchs.

Weiter kann bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs fraglich sein, wie mit gezahlten Waschkostenpauschalen bzw. Waschkostenrückerstattungen, Betankungsgebühren oder Entgelten für Betankungsservice oder für Tätigkeiten außerhalb der üblichen Geschäftszeiten („After Hour“), die Anlieferung und Abholung von Fahrzeugen, das Pannenmanagement („Breakdown“), Transferkosten, Kosten für Fahrzeugaustausch oder verauslagte Reparaturen etc. zu verfahren ist. Denn nach der Rechtsprechung umfasst der Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB nur Vermittlungs- und Abschlussprovisionen und keine „Verwaltungskosten“ d.h. Lager-, Inkasso-, Bestandspflegekosten oder Bürozuschüsse. Der Anwalt wird im Einzelfall ermitteln welche Leistungen im Rahmen der „Rohertragsberechnung“ als Provisionen zu berücksichtigen sind.

Umsatz mit „Neukunden“ in der Autovermietung

Berechnungsgrundlage für den Handelsvertreterausgleichsanspruch ist im Rahmen der sog. „Rohertragsmethode“ gem. § 89b Abs. 1 HGB der in den letzten 12 Monaten vor Vertragsende mit Neukunden, Stammkunden und intensivierte Altkunden erzielte Umsatz aus Provisionen. Neue Kunden sind solche, die der Handelsvertreter selbst geworben hat. Für den Umsatz mit diesen Kunden trägt der Handelsvertreter im Zivilprozess die Beweislast. Es kann daher erforderlich sein, dass der Handelsvertreter vor Gericht eine sog. Stufenklage erhebt bei der in einem ersten Schritt auf Aushändigung eines Buchauszugs geklagt wird. Denn ohne Buchauszug ist es dem Autovermieter nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg regelmäßig schlicht unmöglich zu ersehen welcher Umsatzanteil bei seiner Autovermietungsstation auf Neukunden und Mehrfachkunden entfällt oder mit wie vielen dieser Kunden Rahmenverträge bestehen.

Von einem „Stammkunde“ kann nach der Rechtsprechung des BGH branchenabhängig schon beim zweiten Vertragsschluss ausgegangen werden. „Mehrfachkunden“ sind dagegen Kunden die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit weiteren Vertragsabschlüssen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmen abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen. Sogenannte „intensivierte Altkunden“ oder „gesteigerte Altkunden“ entsprechen gem. § 89b Abs. 1, S. 2 HGB neuen Kunden, wenn die Geschäftsverbindung durch den Autovermieter so erweitert wird, dass dies wirtschaftlich der Gewinnung eines Neukunden entspricht. Nach der Rechtsprechung kann dies bei einer Verdoppelung des Umsatzes mit dem Altkunden gegeben sein.

In der Autovermietung mieten Mehrfachkunden meist auf Grundlage von Rahmenverträgen die das Autovermietungsunternehmen mit einer Firma (Firmenkunde), einem Großkunden oder z.B. einer Autofahrerorganisationen wie dem ADAC geschlossen hat (Rahmenvertrag zu Gunsten Dritter). Es stellt sich im Streitfall daher die Frage, ob die Umsätze mit diesen Kunden nur aufgrund der Rahmenverträge zustande gekommen sind und ob sie daher nicht bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichs auszuschließen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es jedoch, wenn die Autovermietungsstation für die Umsatzerzielung nur mitursächlich war. Und das ist regelmäßig der Fall. Denn der Kunde will das Fahrzeug ja regelmäßig nicht am jeweiligen Unternehmens- und Verwaltungssitz von Sixt, Avis, Europcar, Hertz oder Budget entgegennehmen, sondern an einer vor Ort befindlichen Autovermietungsstation. Ohne die Autovermietung vor Ort wäre der Vertrag daher nicht zustande gekommen.

Gleiches gilt, wenn der Kunde nur eine Autovermietung zur Auswahl hatte. Auch hier könnte man auf die Idee kommen, dass die Agentur bzw. der Handelsvertreter überhaupt keinen Anteil an der Kundenakquise hatte und daher bezüglich dieser Kundengruppe auch keinen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich haben könnte. Auch hier kommt es nach der Rechtsprechung des BGH jedoch bloß auf die Mitursächlichkeit des Handelsvertreters bei der Umsatzerzielung an. Dies ist bei einer Autovermietung bereits gegeben, wenn der Handelsvertreter die Agentur offen und Fahrzeuge zur Vermietung bereit hält. Denn diese Tätigkeit ist für das Zustandekommen von Automietverträgen unerlässlich, selbst wenn ein Kunde die Autovermietung nur wegen der Marke, der Lage oder der Teilnahme an einem Bonussystem z.B. über das Internet ausgewählt hat.

Weiter ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH vom Stammkundenanteil nicht automatisch auf den Stammkundenumsatz geschlossen werden kann. Es kommt vielmehr darauf an wie viel Umsatz tatsächlich mit den Stammkunden erzielt wurde und wie viel Umsatz auf die übrigen Kunden („Laufkunden“) entfallen ist. Denn der Stammkundenumsatzanteil kann wesentlich höher sein als der Prozentsatz des Stammkundenanteils. Auch diesbezüglich kann nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg die Erteilung eines detaillierten Buchauszugs durch das Autovermietungs-unternehmen unerlässlich sein.

Abwanderungsquote und Abzinsung

Bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichs nach § 89b HGB ist weiter die sogenannte Abwanderungsquote zu berücksichtigen. Dies ist der Prozentsatz an Kunden, die der Autovermietung durchschnittlich pro Jahr verloren gehen. Die Abwanderungsquote ist branchenspezifisch verscheiden und muss im Streitfall ebenfalls durch einen Gutachter ermittelt werden. In der Praxis wird oftmals eine Parallele zum Kfz-Vertrieb gezogen, bei dem Abwanderungsquoten von etwa 25 % nicht unüblich sind oder zum Tankstellengewerbe bei dem die Auswahl der Verkaufsstation durch den Kunden einem ähnlichen Muster folgt wie bei der Autovermietung. Da die Produkte ähnlich sind, orientiert sich der Kundenkreis eher an den Preisen und der Verfügbarkeit vor Ort. Letztlich kommt es aber auf die individuellen Eigenheiten des Autovermietungsgeschäfts an, bei dem Kundenbindungsprogramme und Rahmenverträge eine besondere Rolle spielen, die aber im Gegensatz zum Kfz-Vertrieb oft eine ähnliche Kfz-Flotte im Angebot haben die die gleichen Marken (Mercedes, BMW, Audi usw.) umfasst.

Der Ausgleichsanspruch des Autovermieters ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich abzuzinsen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Handelsvertreter die Beträge eigentlich erst in der Zukunft erhalten hätte. Der Vorteil der sofortigen Verfügbarkeit ist im Rahmen der Berechnung des Handelsvertreterausgleichs zu berücksichtigen, d.h. die vermutlich in Zukunft vereinnahmten Beträge müssen auf ihren gegenwärtigen Wert zurückgerechnet werden. Dazu muss zunächst ein vertretbarer Zinssatz für die Abzinsung festgelegt werden. Dieser sollte sich an der gegenwärtigen Geldmarktlage orientieren. In der Praxis bewegt sich der Zinssatz jedoch für gewöhnlich in der Größenordnung von 5 Prozent.

Weiter gibt es zwei gerichtlich anerkannte Verfahren zur Berechnung der Abzinsung. Diese heißen Gillardon und Hoffman’sche Formel. Bei der Hoffman’schen Formel wird der Prozentsatz anhand der Formel in einem Rechenschritt auf die Summe der Provisionen der Prognosejahre nach Abzug der Abwanderungsquote angewendet. Bei der Berechnung nach Gillardon wird dagegen für jedes Prognosejahr zunächst ein Abzinsungsfaktor ermittelt und dann auf das jeweilige Prognosejahr angewendet. Das ist etwas umständlicher. Auch über die Methode zur Berechnung der Abzinsung wird im Falle einer Klage auf Handelsvertreterausgleich der Richter entscheiden. Die Differenz zwischen einer Berechnung nach Gillardon und der Hoffman’schen Formel kann mitunter nicht unerheblich ausfallen.

Mitnahme von Stammkunden durch Autovermietung

Verbleiben nach der Beendigung der Vertragsbeziehung mit dem Autovermietungs-unternehmen Stammkunden bei der Agentur bzw. beim Handelsvertreter, etwa weil dieser in Zusammenarbeit mit einem neuen Unternehmen weiterhin Autovermietung betreibt, so ist der mit diesen Kunden erzielte Umsatz im Rahmen der Ermittlung des Ausgleichsbetrags herauszurechnen. Denn der Autovermieter erhält Handelsvertreterausgleich nur insoweit, als dem Autovermietungsunternehmen aus dem geschaffenen Kundenstamm noch Vorteile erwachsen. Die Mitnahme von Kunden zur „Konkurrenz“ kann also den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich entsprechend schmählern. Es kommt dagegen nicht darauf an, dass das Autovermietungsunternehmen die Kundenbeziehungen auch aktiv fortsetzt. Nach der Rechtsprechung genügt die Chance auf eine Fortsetzung der Kundenbeziehung.

Sogwirkung der Marke des Autovermietungsunternehmens

Je nach Autovermietung kann der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich u.U. wegen der sog. „Sogwirkung der Marke“ prozentual gekürzt werden. Dabei stellt sich die Frage, welche Sogwirkung eine Marke wie Sixt, Avis, Europcar, Hertz, Budget o.a. im Einzelfall auf den Kunden entfaltet. Das hängt von der Markenwahrnehmung in der Zielgruppe ab die z.B. die eine Autovermietung als zuverlässiger oder die andere als günstiger usw. empfindet. Der BGH hat in einer Reihe von Urteilen zum Kfz-Handel diesbezüglich Billigkeitsabschläge zwischen 10 – 25 % zugelassen. Es ist allerdings zu prüfen, ob dieser Gesichtspunkt nicht bereits während des Vertrages im Rahmen der Vertretervergütung hinreichend berücksichtigt wurde, ob also etwa wegen der starken Marke die Provisionen des Autovermieters bereits niedriger ausgefallen sind. Gab es vor Ort keine Konkurrenz, so spielt die Sogwirkung der Marke eine untergeordnete Rolle. Denn dann hatten die Kunden schlicht keine andere Wahl als die eine Autovermietung.

Die „Sogwirkung der Marke“ ist im Rahmen eines Klageverfahrens gegebenenfalls durch einen Sachverständigen zu ermitteln, kann aber auch auf andere Weise, etwa anhand von statistischen Erhebungen über die Markenwahrnehmung, das Mietverhalten oder den Werbeetat der Autovermietungen, zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Der Richter kann auch einen Abschlag vom Ausgleichsanspruch im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen. Die Beweislast über die Intensität der Sogwirkung der Marke trägt regelmäßig das Autovermietungsunternehmen.

Fazit zum Handelsvertreterausgleich in der Autovermietung

Der Bereich Autovermietung über Vermietungsagenturen oder freie Handelsvertreter weist im Gegensatz zum Vertreib anderer Produkte eine Reihe von Besonderheiten auf die nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg bei der Berechnung von Handelsvertreterausgleich berücksichtigt werden sollten. Endet der Streit vor Gericht, so beauftragt der Richter nicht selben Gutachter mit der Klärung der Frage, wie hoch z.B. die Abwanderungsquote oder die Sogwirkung der Marke im Einzelfall ausfallen.

Für Rückfragen zum Thema Handelsvertreterausgleich in der Autovermietung oder allgemein zum Handelsrecht stehen Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg sowie die Anwälte der Kanzlei SLB Rechtsanwälte gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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