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Dienstag, den 28. März 2017 Uhr

Kunstfälschungen – Recht auf Vernichtung oder Kennzeichnung?

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Steht ein Kunstwerk unter Fälschungsverdacht oder wurde es von einem Kunstsachverständigen sicher als Fälschung abgeschrieben, so stellt sich für gewöhnlich die Frage, wie mit der Fälschung weiter zu verfahren ist. Muss die Fälschung in irgendeiner Weise gekennzeichnet oder gar vernichtet oder zerstört werden? Und darf ein Auktionshaus oder Kunsthändler die Fälschung einfach einbehalten und wenn ja, gibt es dafür eine Entschädigung?

1. Warum sollten Kunstfälschungen gekennzeichnet oder vernichtet werden?

Zunächst stellt sich die Frage, was eigentlich das Problem an gefälschter Kunst ist; denn solange diese in irgendeinem Wohnzimmer hängt, verursacht sie zunächst mal keinen Schaden. Dies ist allerdings zu kurz gedacht, denn zum einen ist eine Fälschung regelmäßig erheblich weniger wert als ein Original. Dies kommt aber in der Praxis erst im Fall eines Verkaufes zum tragen. Allerdings birgt schon die bloße Existenz eines Kunstwerks automatisch auch immer die latente Gefahr, dass es früher oder später zu einem Verkauf kommt. Zum anderen kann die Existenz eines gefälschten Kunstwerks den Wert des Originals oder gar des ganzen Oevres des betreffenden Künstlers negativ beeinträchtigen.

Den beschriebenen Gefahren könnte grundsätzlich mit verschiedenen Maßnahmen begegnet werden, beispielsweise mit der Vernichtung der Fälschung, mit der Anbringung eines nicht entfernbaren Fälschungshinweises, mit der Entfernung einer falschen Signatur oder mit dem Verbot ein Werk als Original auszustellen oder Käufern anzubieten. Diese einzelnen Maßnahmen greifen unterschiedlich weit in das Recht des Eigentümers der Fälschung ein und sind daher auch von verschiedenen Voraussetzungen abhängig.

Aber aus welchem Gesetz ergibt sich ein Recht gegen gefälschte Kunst vorzugehen? Ein originärer Anspruch auf Vernichtung oder Kennzeichnung von Kunstfälschungen existiert im deutschen Recht nicht. Es müssen daher die Normen des Urheberrechts, des allgemeinen Zivilrechts und des Strafrechts herangezogen werden, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen.

2. Urheberrecht

Eine solche Möglichkeit bietet das Urheberrecht, das regelmäßig bis 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers gilt (§ 64 UrhG). Gemäß § 89 Abs. 1 und 3 UrhG stehen dem kopierten bzw. nachgeahmten Künstler sowie dessen Erben (§§ 28 Abs. 1, 29 UrhG) Ansprüche auf Vernichtung der Kunstfälschung bzw. auf deren Herausgabe zu. Der Anspruch auf Vernichtung entfällt aber, wenn die Vernichtung nach einer umfassenden Abwägung aller berechtigten Interessen, zu denen auch die Belange Dritter zählen, als unverhältnismäßig erscheint (§ 89 Abs. 4 UrhG).

Wann eine Vernichtung als unverhältnismäßig anzusehen ist, ist nicht immer klar festzulegen. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, der auf Kunstrecht spezialisiert ist, zeichnet sich in der Rechtsprechung ein Trend ab, wonach Maßnahmen, die wieder rückgängig gemacht werden können, nicht für ausreichend gehalten werden. Die Gerichte halten überwiegend die Vernichtung einer Kunstfälschung auch für ein verhältnismäßiges Mittel. In diese Entscheidung fließt wertungsmäßig mit ein, dass die rechtswidrige Vervielfältigung durch den Fälscher in der Regel absichtlich und schuldhaft erfolgt und dass damit gerechnet werden muss, dass Markierungen später wieder beseitigt werde.

Unlängst hat beispielsweise das Landgericht Berlin mit Urteil vom 17.11.2016 (Az. 28 O 498/14) den Eigentümer einer gefälschten Tuschpinselzeichnung von Max Pechstein („Strandszene mit Boot“) dazu verpflichtet, in deren Vernichtung einzuwilligen. Der Eigentümer hatte die Fälschung im Jahr 1987 in gutem Glauben erworben und liefert sie im Jahr 2014 bei einem Auktionshaus zur Versteigerung ein. Das Auktionshaus erkannte die Fälschung, behielt die Arbeit ein und wurde schließlich vom Eigentümer auf Herausgabe verklagt. Am Gerichtsprozess beteiligten sich sodann auch noch die Inhaber der Urheberrechte des Künstlers Max Pechstein als sogenannte Drittwiderkläger und setzten sich für die Vernichtung des Kunstwerks ein.

Das beklagte Auktionshaus hatte die Fälschung zwischenzeitlich an das Landeskriminalamt weitergegeben, sodass die Klage auf Herausgabe ins Leere ging. Das Gericht hatte daher nur noch über den Antrag der Inhaber der Urheberrechte zu entscheiden. Es hielt im Ergebnis eine Vernichtung für verhältnismäßig, da eine bloße Entfernung des gefälschten Monogramms von Pechstein nicht sicher verhindern könne, dass der Rechtsverkehr zukünftig über die Unechtheit getäuscht werde. Dies vor allem auch deshalb, weil es sich bei der Arbeit nicht um eine bloße Nachahmung handele, sondern um eine Kopie eines existierend Werkes, d.h. um eine sogenannte „Identfälschung“. Deshalb sei ein strengeres Vorgehen gerechtfertigt.

3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Ist das Urheberrecht bereits erloschen oder wird es nicht verletzt, etwa weil es sich nur um eine unsignierte Nachahmung handelt, so ist als nächstes zu prüfen, ob sich auch aus dem allgemeinen Zivilrecht in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Schutz des Künstlers vor Fälschungen ableiten lassen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich beispielsweise in der sogenannten „Nolde-Entscheidung“ aus dem Jahr 1989 zu dieser Frage geäußert. Worum ging es? Die Nolde Stiftung, die mit der Wahrnehmung der Namens- und Persönlichkeitsrechte des Malers Emil Nolde betraut ist, war im Zusammenhang mit einer Bitte um Echtheitsbestätigungen in den Besitz zweier Nolde-Aquarelle gelangt und verweigerte nun die Rückgabe mit dem Hinweis darauf, dass es sich nachweisbar um Fälschungen handele. Die Stiftung verlangte die Vernichtung der Fälschungen oder wenigstens die Anbringung einer deutlich sichtbaren und nicht entfernbaren Kennzeichnung als „Fälschung“. Dabei machte die Stiftung geltend, andere Fälschungen, die sie in der Vergangenheit eindeutig als solche identifiziert hatte, seien dann trotzdem immer wieder als „Originale“ in den Markt gelangt.

Der BGH entschied schließlich in letzter Instanz, dass Bildfälschungen mit der Signatur eines anderen Malers grundsätzlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens, verletzten, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz eines bekannten Malers auch 30 Jahre nach dessen Tod noch nicht entfallen ist und dass der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Beseitigungsanspruch grundsätzlich nur eine Entfernung der Signatur und nicht auch eine durch einen Gerichtsvollzieher vorzunehmende Kennzeichnung der Bilder als Fälschungen rechtfertige.

Diese Gefahr besteht aber nach Ansicht des BGH nur, wenn erkennbare Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Inverkehrbringen oder Ausstellen der Fälschungen in der Öffentlichkeit geplant ist, denn nur dann sei der Eigentümer einer Fälschung als Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB anzusehen. Es muss also im Einzelfall untersucht werden, ob beim Eigentümer eine entsprechende Verkaufs- oder Ausstellungsabsicht vorliegt.

Das OLG Saarbrücken verneinte beispielsweise im Jahr 2000 in einem anderen Fall die Zugänglichmachung einer Fälschung auf dem Kunstmarkt. In diesem Fall konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Eigentümer beabsichtigte, die Fälschung zu verkaufen. Das reine Zurschaustellen einer Fälschung im eigenen Wohnzimmer oder das Verschenken der Fälschung an einen Verwandten aber begründet nach der Auffassung des OLG Saarbrücken für sich allein keine Gefahr für das Inverkehrbringen der Fälschung. In diesem Verfahren wurde auch eine Pflicht zur Beseitigung der Signatur abgelehnt.

4. Strafrecht

Schließlich gewährt auch das Strafrecht Möglichkeiten Kunstfälschungen aus dem Verkehr zu ziehen, etwa durch eine sogenannte „Einziehung“ nach den §§ 74 ff. StGB, bei der das Eigentum an der Fälschung auf den Staat übergeht und wonach die Kunstfälschung vernichtet werden kann. So etwa im Fall der 1.100 gefälschten Giacometti-Bronzen, die im Jahr 2012 schließlich, von Beamten des LKA Stuttgart überwacht, zersägt und eingeschmolzen wurden.

Bei der strafrechtlichen Einziehung ist danach zu unterscheiden, in wessen Eigentum sich die Fälschung befindet. So sind die Voraussetzungen für die Einziehung von Kunstfälschungen aus dem Eigentum des Fälschers als Teil der gegen diesen verhängten Strafe relativ einfach. Die Einziehung von Kunstfälschung im Eigentum Dritter ist dagegen grundsätzlich nur zum Wohl der Allgemeinheit möglich. In einer Leitentscheidung aus dem Jahr 1988 verlangt der BGH hierfür konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Verwendung der Kunstfälschungen. Eine bloße theoretische, gedankliche Möglichkeit der Weitervermarktung als Kunstfälschung genügt demnach nicht.

Das LG Düsseldorf präzisierte 2010 die Rechtsprechung des BGH in zweierlei Hinsicht: Eine konkrete Gefahr der Weitervermarktung der Fälschung sei eher bei einer Nachahmung als bei einer Identfälschung anzunehmen, da die Fälschung für den Kunstmarkt schwerer zu erkennen sei. Denn bei Identfälschungen findet sich oftmals das Original und enttarnt so die Kopie als Fälschung. Eine Einziehung sei außerdem eher möglich, wenn kein Markt zur Veräußerung als „legale Fälschung“ bestehe. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat zuletzt das LG Köln im Beltracchi-Verfahren die Einziehung zweier im Eigentum des Fälschers stehender Gemälde angeordnet, die Fälschungen im Eigentum Dritter diesen aber belassen.

5. Fazit

Ob der Eigentümer des Originals, der Inhaber der Rechte des Künstlers oder die Staatsanwaltschaft einen Anspruch auf Vernichtung oder Kennzeichnung einer Kunstfälschung haben, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Aus der Sicht von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg ist jedoch in der Rechtsprechung eine Entwicklung erkennbar, wonach Gerichte immer öfter eine Kennzeichnung oder Vernichtung von Kunstfälschungen für verhältnismäßig halten.

Wenn Sie weiterführende Fragen zum Thema oder zu anderen Frage des Kunstrechts haben, so steht Ihnen Dr. Louis Rönsberg gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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