zurück
Dienstag, den 19. Januar 2021 Uhr

Aktuelle Arbeitgeberinformation zum Thema Coronavirus

Rechtsgebiete: Arbeitsrecht

Aufgrund der sich laufend verändernden epidemiologischen Situation und damit einhergehend den sich ändernder Regelungen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene, haben unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht die wichtigsten Informationen und Hinweise, insbesondere im Hinblick auf rechtliche Auswirkungen, Handlungsmöglichkeiten und staatliche Unterstützungsleistungen für Arbeitgeber auf dem aktuellen Stand (Januar 2021) zusammengestellt. Eine Übersicht zu einzelnen Fragen im Bereich des Arbeitsrechts finden Sie auch auf der Website des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales.

I. Prävention – Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung am Arbeitsplatz

1. Dürfen Arbeitnehmer einfach zu Hause bleiben, wenn sie Angst vor Ansteckung haben?
Nein. Arbeitnehmer dürfen die Arbeit nicht verweigern, weil die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin erhöht sein könnte. Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitgeber stattdessen über eine solche Situation informieren.
Im Einzelfall kann aber der Arbeitgeber bei einer konkreten Gefährdung aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet sein, den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen oder Arbeit im Home Office zu erlauben, wenn diese Möglichkeit besteht. Ein allgemeines Recht auf Home Office existiert allerdings nicht.
Wer aus Angst vor Ansteckung vom heimischen Computer aus arbeiten will, muss dazu also die im Betrieb geltenden Regelungen wie zum Beispiel aus einer Betriebsvereinbarung einhalten bzw. mit dem Arbeitgeber abstimmen. Auch wer in einem Risikogebiet Region war oder eventuell Kontakt zu infizierten Personen hatte, darf also nicht einfach die Arbeit einstellen.

2. Darf/ Muss der Arbeitgeber Home Office anordnen?
Nein. Es besteht weder eine Pflicht, noch ein einseitiges Recht des Arbeitgebers, Home Office anzuordnen. Eine Anordnung von Home Office ist nur in Absprache mit dem Arbeitnehmer (sprich Arbeitsvertrag oder Zusatzvereinbarung hierzu, ggf. Betriebsvereinbarung) möglich und nur, soweit die Arbeit von zuhause aus realisierbar ist. In der Praxis wird sich in diesem Fall aber kaum ein Arbeitnehmer einer solchen Anordnung widersetzen, da die Notwendigkeit zu seinem eigenen Schutz aufgrund der aktuell hohen Infektionsgefahr auf der Hand liegt.

3. Darf der Arbeitgeber Dienstreisen weiterhin unbeschränkt anordnen?
Es kommt darauf an. Soweit ein Gebiet vom Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI) als Risikogebiet ausgewiesen wird, sollte der Arbeitgeber aufgrund seiner gesteigerten Fürsorgepflicht Abstand davon nehmen, eine Dienstreise anzuordnen, da eine solche Reise aufgrund der mit ihr verbundenen Ansteckungsgefahr im Risikogebiet für den Arbeitnehmer im Zweifel unzumutbar ist (vgl. § 275 abs. 3 BGB). Allerdings kommt es für die Beurteilung, ob eine bestimmte Anordnung einer Dienstreise noch zumutbar ist oder nicht, letztlich auf jeden Einzelfall an.
Eine Übersicht zu bestehenden Reisewarnungen des Ausländischen Amtes im Zusammenhang mit Covid-19 finden Sie auf der Webseite des Auswärigen Amtes.
Für (Dienst-)Reisen in innerdeutsche Risikogebiete gibt es zwar keine offiziellen Reisewarnungen. Allerdings sollten auch hier in Anlehnung auf die von der Bundesregierung ausgesprochene Aufforderung, jeden nicht zwingend notwendigen Kontakt zu vermeiden, nur die unbedingt notwendigen Dienstreisen angeordnet werden.

4. Wie weit darf der Arbeitgeber sich beim Arbeitnehmer über eine Corona-Erkrankung und private Aktivitäten in diesem Zusammenhang informieren?
Aufgrund der derzeit hohen Ansteckungsgefahr und der Risiken für Dritte ist davon auszugehen, dass ein Fragerecht des Arbeitgebers und damit einhergehend eine Pflicht des Arbeitnehmers besteht, die Frage nach Erkrankung wahrheitsgemäß zu beantworten.
Auf Verlangen des Arbeitgebers müssen Arbeitnehmer zudem darüber Auskunft erteilen, ob und bis zu welchem Datum sie sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben.

5. Darf den Arbeitnehmern eine anstehende Urlaubsreise in ein Risikogebiet untersagt werden?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auf die individuelle Urlaubsplanung der Mitarbeiter rechtlich keine Einflussmöglichkeit: Selbst bei Bestehen einer Reisewarnung für das betreffende Reiseziel kann der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter die betreffende Reise nicht verbieten. Auch liegt bzgl. des vermuteten Infektionsrisikos keine Konstellation vor, in der der Arbeitgeber eine „Urlaubssperre“ verhängen könnte.
Eine Reise in ein Risikogebiet kann für den Arbeitnehmer allerdings finanzielle Folgen im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung nach sich ziehen. Nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) hat der Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Rücksicht auf die Art der Erkrankung; wenn er diese nicht selbst verschuldet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verschuldet derjenige seine Krankheit selbst, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Bei einer Reise in ein z. B. vom RKI ausgewiesenes Risikogebiet könnte ein solches Verschulden vorliegen, ist aber richterlich noch nicht abschließend geklärt, was man bei einer solchen Reise unbedingt berücksichtigen muss.
Zum Wegfall der Entgeltfortzahlungs- bzw. Entschädigungsansprüche eines Arbeitnehmers im Fall einer Quarantäne oder Erkrankung nach einer Reise s. unten unter Punkt II.5 und 6

6. Grenzpendler: Wann besteht eine Testpflicht?
Einreisevorschriften fallen in die Zuständigkeit der Länder. Einheitlich gilt bei Einreise aus einem Risikogebiet zwar eine Quarantänepflicht von in der Regel 10 Tagen. Unterschiedlich gehandhabt werden je nach Bundesland aber die Ausnahmeregelungen zur Quarantänepflicht bzw. einer Testpflicht, die insbesondere Arbeitnehmer als Grenzpendler in Grenzgebieten mit als Risikogebiete ausgewiesenen Nachbarländern betreffen.
In Bayern gilt seit dem 18. Januar 2021 eine Einreise-Quarantäne-Verordnung, die bei der Auszeichnung der Risikogebiete (zusätzlich) Bezug nimmt auf die neu ausgewiesenen Virusvarianten-Gebiete, d.h. Gebiete, in denen die besonders ansteckenden Virusvarianten verbreitet sind.
Die Ausweisung durch das RKI finden Sie auf deren Webseite.
Neu geregelt wurde zudem, dass die vorzeitige Beendigung der Quarantäne durch die Durchführung eines Schnelltests nach fünf Tagen möglich ist.
Für diejenigen, die arbeitsbedingt zwischen Bayern und einem als Risikogebiet ausgewiesenem Nachbarland pendeln, gilt wie bisher zwar keine Quarantäne-, aber eine wöchentliche Testpflicht. Nachzuweisen ist allerdings, dass die Grenze aus zwingend notwendigen Gründen zum Zwecke ihrer Berufsausübung überschritten wird. Diese „zwingende Notwendigkeit“ muss dabei vom Arbeitgeber bescheinigt werden (§§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 4 a) und b) Einreisequarantäne-VO ).

II. Verhalten bei Verdachtsfällen

1. Was müssen Arbeitgeber tun, wenn es in ihrem Unternehmen Verdachtsfälle oder Infizierte gibt? Was sind die Folgen einer Quarantäneanordnung?
Bei Verdacht auf eine Infektion mit Corona muss sich der betroffenen Mitarbeiter unverzüglich in Quarantäne begeben. Der Betroffene kann sich an seinen Hausarzt wenden und die bundesweite Telefonnummer: 116 117 (ohne Vorwahl) kontaktieren. Das Gesundheitsamt wird gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz ergreifen.
Ist der Beschäftigte tatsächlich an COVID-19 erkrankt, greift die gesetzliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Muss ein Arbeitnehmer als Krankheitsverdächtiger in Quarantäne und kommt ein Arbeiten im Home Office nicht in Betracht, erhält der betroffene Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch (§ 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz – IfSG). Die Entschädigung bemisst sich nach dem Nettoverdienstausfall, entspricht also dem, was der betroffene Arbeitnehmer regulär nach Abzug von Steuern und Versicherungen verdient hätte. Während der ersten sechs Wochen des Verdienstausfalls wird die Entschädigungszahlungen dabei in voller Höhe des Ausfalls gewährt, § 56 Abs. 2, 3 IfSG. Ab der 7. Woche bemisst sie sich nach dem Krankengeld (vgl.§ 47 Abs. 1 SGB V).
Wird der Arbeitnehmer während der Entschädigungszahlungen arbeitsunfähig, etwa, weil er tatsächlich an Covid-19 erkrankt, dann erhält er weiterhin die Entschädigungszahlung in der Höhe, in der er sie bis zu diesem Zeitpunkt erhalten hatte, § 56 Abs. 7 IfSG.
Für den Arbeitgeber entfällt in diesem Fall aber der Rückerstattungsanspruch gegenüber der Landesbehörde: Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Entschädigungsanspruch vorrangig ist, ist der Arbeitgeber insoweit – wie sonst auch im Krankheitsfall – für die ersten sechs Wochen der Krankheit verpflichtet, die „normale“ Entgeltfortzahlung zu zahlen.

2. Was ist, wenn Arbeitnehmer keine Kinderbetreuung haben, weil die Kita wegen Corona-Gefahr schließt?
Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn eine Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder Schulen auf behördliche Anordnung hin wegen Infektionsgefahr geschlossen wird und keine andere Betreuungsmöglichkeit gegeben ist, als dass ein Elternteil die Betreuung übernimmt und aus diesem Grund einen Verdienstausfall erleidet (§ 56 Abs. 1a IfSG).
Die Entschädigungszahlung beträgt in diesem Fall nur 67 % des entstandenen Nettoverdienstausfalls, wird aber nur für einen Zeitraum von längstens zehn Wochen bzw. 20 Wochen bei Alleinerziehenden, gewährt.

3. Muss der Arbeitgeber Beschäftigte bei Verdacht auf Coronavirus nach Hause schicken?
Ja, siehe auch oben Punkt II.1. Bei Bestehen von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht entbinden, bei einer ansteckenden Krankheit ergibt sich dies bereits aus der Fürsorgepflicht den gesunden Mitarbeitern gegenüber.

4. Darf der Arbeitgeber Beschäftigte bei Verdacht auf Coronavirus zum Arzt schicken?
Eine Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung und ggf. Durchführung eines Corona-Tests ist bei akutem Verdacht einer Infektion, etwa bei Aufenthalt in einem Risikogebiet und typischen Krankheitsanzeigen oder bei intensivem Kontakt des Arbeitnehmers mit einer infizierten Person, unter Fürsorgegesichtspunkten (Schutz des Betreffenden selbst und Einleitung von medizinischen Maßnahmen, Schutz anderer Mitarbeiter vor Ansteckung, Infektionsschutz Dritter) zulässig.

5. Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Rückkehr aus einem Risikogebiet nach Hause schicken?
Ja. Ein Arbeitnehmer darf zwar aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts frei seinen Urlaubsort wählen, muss aber die Konsequenzen tragen und in Quarantäne gehen, wenn er als ein vom RKI als Risikogebiet ausgewiesenes Urlaubsziel wählt. Die Quarantäne selbst gilt für 14 Tage, soweit nicht vorher ein ärztliches Zeugnis vorgelegt wird, aus dem hervorgeht, dass keine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. In manchen Bundeländern wurde zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, die Quarantäne durch einen nach frühestens fünf Tagen erfolgenden Schnelltest zu verkürzen.
Soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverstanden sind und dies möglich ist, kann der Arbeitnehmer während der Quarantäne im Home Office arbeiten und verliert dann nicht seinen Anspruch auf Vergütung.
Arbeitet der Arbeitnehmer hingegen nicht während der Quarantäne, kommt es für seinen Vergütungsanspruch darauf an, ob er seinen Zustand, sprich die Quarantäne, „verschuldet“ hat: Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer trotz Kenntnis, dass sein Urlaubsziel als Risikogebiet ausgewiesen wurde, verreist war. In diesem Fall entfällt der Anspruch des Arbeitnehmers auf sein Entgelt für die Dauer des Ausfalls ersatzlos.
Erfolgt die Ausweisung als Risikogebiet hingegen erst während des Aufenthalts am Urlaubsort, wird hingegen nicht von Verschulden ausgegangen. Der Arbeitnehmer verliert dann zwar aufgrund seiner Untätigkeit während der Quarantäne seinen Vergütungsanspruch, erhält aber eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 I S. 1 IfSG).
Alternativ zur Quarantäne könnte der Arbeitnehmer in jedem Fall noch in Absprache mit dem Arbeitgeber Urlaub nehmen, um seinen Vergütungsanspruch während der Quarantäne nicht zu verlieren.

6. Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer an Covid-19 erkrankt?
Grundsätzlich besteht auch bei einer Covid-19-Erkrankung wie bei jeder Erkrankung der Entgeltfortzahlungsanspruch. Allerdings gelten folgende Einschränkungen:

  • Erkrankung während der Quarantäne: Aus Sicht des Arbeitnehmers ändert sich in diesem Fall nichts: er erhält weiterhin die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG in Höhe seins Nettoverdienstausfalles. Allerdings ändert sich in diesem Fall die Situation für den Arbeitgeber: Da Entgeltfortzahlung vorrangig ist gegenüber dem Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG, entfällt im Fall einer (tatsächlichen) Erkrankung eines Arbeitnehmers der Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber der Landesbehörde für das an den Arbeitnehmer ausgezahlte Nettoentgelt (vgl. § 56 Abs. 5 und 7 IfSG).
  • Verschulden der Erkrankung: Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich wissentlich in ein Risikogebiet begibt und dort bzw. nach der Heimkehr erkrankt: In diesem Fall entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund der durch den Arbeitnehmer selbst verschuldeten Erkrankung – durch seine Reise hat er bewusst das Infektionsrisiko in Kauf genommen. Auch eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz ist dann ausgeschlossen, soweit nicht für die Reise zwingende und unaufschiebbare Gründe vorlagen (§ 56 Abs. 1 S. 4 IfSG).

III. Arbeitsausfälle und Betriebsschließung – Kurzarbeitergeld u. Betriebsrisiko

1. Kann bei Arbeitsausfällen wegen Covid-19 bedingter Betriebsschließung oder z.B. wegen unterbrochener Lieferketten Kurzarbeitergeld beantragt werden?
Ja. Aufgrund der pandemiebedingte Schließung ganzer Betriebe bzw. Betriebsteilen und der hieraus resultierenden Unterbrechung von Lieferketten -, hat der Gesetzgeber sich seit Beginn der Pandemie bemüht, die massiven wirtschaftlichen Einbußen der Unternehmen durch die Vereinfachung der Einführung von Kurzarbeit einzudämmen. Der Deutsche Bundestag hat zu Beginn der COVID-19-Pandemie im März 2020 mit dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld“ die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld stark vereinfacht. Hintergrund sind die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Ausreichend für die Beantragung von Kurzarbeit ist, dass aufgrund der Pandemie mindestens 10 % der Mitarbeiter (früher: mindestens ein Drittel) von einem Entgeltausfall in Höhe von mehr als 10 % ihres regulären Bruttomonatsentgelts betroffen sind. Weiter müssen zur Vermeidung von Kurzarbeit nicht vorrangig negative Arbeitszeitsalden aufgebraucht werden, wenn im Betrieb entsprechende Regelungen zu flexiblen Arbeitszeiten existieren. Zusätzlich zum Kurzarbeitergeld hat die Bundesagentur für Arbeit zunächst befristet bis 31.12.2021 in Aussicht gestellt, die auf das Kurzarbeitergeld entfallenden Sozialversicherungsbeiträge pauschaliert zu übernehmen, auch wenn diese derzeit noch von den Unternehmen für Kurzarbeiter weitergezahlt werden. Schließlich sollen auch Leiharbeiter Anspruch auf Kurzarbeitergeld erhalten.

2. Was heißt Kurzarbeitergeld konkret?
Das Kurzarbeitergeld wird von der Agentur für Arbeit gezahlt und ersetzt einen Teil der durch die Kurzarbeit verursachten Nettoeinbußen der Mitarbeiter. Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht grundsätzlich, wenn ein unabwendbares Ereignis oder wirtschaftliche Gründe vorliegen, die zu einem erheblichen Arbeitsausfall führen (§§ 95 ff. SGB III). Das ist etwa der Fall, wenn wegen staatlicher Schutzmaßnahmen wie aufgrund der derzeitigen COVID-19-Pandemie Betriebe geschlossen werden oder im Vergleich zu vorher nur eingeschränkt wirtschaften können.
Kurzarbeitergeld ist nicht an eine bestimmte Anzahl betroffener Arbeitnehmer gekoppelt, sondern daran, dass mindestens 10 % der in einem Betrieb oder einer Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltsausfall von jeweils mehr als 10 % betroffen sind. Die Einführung von Kurzarbeit geschieht durch Betriebsvereinbarung oder (wenn kein Betriebsrat existiert) durch Einzelvereinbarung mit den betroffenen Arbeitnehmern. Das aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung finanzierte Kurzarbeitergeld wird derzeit für bis zu 21 Monate gezahlt (früher nur 12). Arbeitnehmer kommen damit auf 60 % ihres Verdienstausfalls, Beschäftigte mit Kindern auf 67 %. Ab dem vierten individuellen Bezugsmonat wird das Kurzarbeitergeld auf 70 % (bzw. 77 %), ab dem siebten individuellen Bezugsmonat auf 80% (bzw. 87 %) der Nettoentgeltdifferenz erhöht.
Wird „Kurzarbeit Null“ angeordnet, dann entfällt die Pflicht zur Arbeit vollständig, die Nettoentgeltdifferenz beträgt in diesem Fall 100 % des Gehaltsanspruchs. In diesem Fall beziehen sich die oben genannten Prozentangaben auf das gesamte Monatsgehalt eines Arbeitnehmers.
Folgende Bedingungen müssen für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld erfüllt sein:

Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Covid-19-Pandemie).
Der Arbeitsausfall ist unvermeidbar und der Betrieb hat alles getan, um ihn zu vermindern oder zu beheben (z.B. in bestimmten Grenzen vorheriger Abbau von Urlaubsansprüchen und etwaigen Arbeitszeitguthaben, soweit letztere nicht einem Flexikonto für eine Vorruhestandsregelung o.ä. dienen).

  • Der Arbeitsausfall ist vorübergehender Natur. Das bedeutet, dass innerhalb der Bezugsdauer grundsätzlich wieder mit dem Übergang zur regulären Arbeitszeit gerechnet werden kann.
  • Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer setzt nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fort und es erfolgt keine Kündigung.
  • Der Arbeitsausfall ist erheblich. Das bedeutet nach aktuellster Lesart, dass mindestens 10 Prozent der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind. Allerdings muss das Unternehmen Kurzarbeit nicht für das gesamte Unternehmen beantragen. Es kann auch ein Antrag auf Kurzarbeit nur für einzelne Abteilungen stellen oder sogar dann stellen, wenn nur ein einziger Mitarbeiter beschäftigt wird.
  • Die Kurzarbeit ist durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag vereinbart bzw. die betroffenen Mitarbeiter haben (in Betrieben ohne Betriebsrat) ihr einzelvertragliches Einverständnis dazu erklärt (wird dieses verweigert, kann ggf. Kurzarbeit im Wege der Änderungskündigung durchgesetzt werden).
  • Der Arbeitsausfall wurde der Agentur für Arbeit angezeigt.

3. Was ist, wenn der Betrieb von den Behörden aufgrund der Covid-19-Erkrankung eines Mitarbeiters geschlossen wird?
Soweit Betriebe wegen des Coronavirus aufgrund behördlicher Anordnungen geschlossen werden, handelt es sich nicht um eine Lohnfortzahlung (diese ist auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit beschränkt) und (wohl) auch um keinen Fall einer vorübergehenden Arbeitsverhinderung nach § 616 BGB, denn Letztere setzt voraus, dass ein in der Person des Mitarbeiters liegender Grund die Arbeit verhindert. Vielmehr handelt es sich um eine Entschädigung, die nicht der Arbeitgeber, sondern die Landesbehörde, die die Quarantäne angeordnet hat, zu tragen hat, vgl. § 56 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz.
Hinsichtlich des Entschädigungs- bzw. Entgeltfortzahlungsanspruchs der Arbeitnehmer gilt das oben unter II. 1 und 2 Gesagte.

4. Was sind die Folgen, wenn ein Unternehmer seinen Betrieb aus freien Stücken vorsorglich schließt?
Soweit ein Unternehmer seinen Betrieb aus freien Stücken „vorsorglich“ schließt, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, muss er die Löhne und Gehälter weiterzahlen und darf auch nicht auf Überstundenkonten zugreifen. Hier trägt er das volle Betriebsrisiko.
Als Arbeitgeber sollten Sie deshalb ggf. überlegen, bei Vorliegen von Verdachtsfällen in Ihrem Betrieb nicht selbst Quarantäne anzuordnen, sondern – soweit dies zeitlich natürlich überhaupt noch möglich ist und der Schutz der Arbeitnehmer vor Ansteckung gewährleistet bleibt – umgehend eine Anordnung durch die zuständige Behörde zu erwirken: nur so kann sichergestellt werden, dass Sie im Anschluss von der zuständigen Behörde auch die entsprechenden Entschädigungen erhalten.

5. Kann der Arbeitgeber zusätzliche Überstunden anordnen, wenn viele Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen?
Der Anordnung von zusätzlichen Überstunden muss entweder der Betriebsrat oder der jeweilige Beschäftigte zustimmen, sofern sich eine Verpflichtung nicht aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Der Arbeitgeber kann Überstunden nur anordnen, wenn sonst ein schwerwiegender wirtschaftlicher Schaden droht und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Rücksichtnahme des Arbeitnehmers erwartet werden kann. Da Überstunden nur nach Tarifvertrag zuschlagspflichtig sind, sollte außerhalb der Geltung eines Tarifvertrags der Zuschlag gesondert vereinbart werden.

6. Muss vor der Anordnung von Kurzarbeit der gesamte Jahresurlaub abgegolten werden?
Seit dem 01.01.2021 muss der Resturlaub aus 2020 vor einer (erneuten) Anordnung der Kurzarbeit vorrangig eingesetzt werden. Urlaubstage, die den Mitarbeitern für das Jahr 2021 zustehen, müssen ebenfalls vorrangig vor der Anordnung von Kurzarbeit „aufgebraucht“ werden. Ausgenommen von dieser vorrangigen Einbringung sind allerdings diejenigen Urlaubstage, die schon vor Anordnung der Kurzarbeit vom Arbeitgeber genehmigt worden waren: Wird also beispielsweise schon im Januar 2021 der August als Sommerurlaub genehmigt, bleibt dieser Urlaubsanspruch bestehen und muss nicht vorrangig eingesetzt werden, wenn im Februar 2021 Kurzarbeit angeordnet wird.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, was mit bereits genehmigtem Urlaub passiert, der aber aufgrund der (danach) angeordneten Kurzarbeit und einer evtl. damit einhergehenden anteiligen Kürzung des Urlaubs (s. hierzu unten unter Ziffer III. 9), entfällt. Hier empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, die Genehmigung selbst nur unter dem Vorbehalt, dass der Urlaubsanspruch nicht aufgrund einer etwaigen Kurzarbeit nachträglich (anteilig oder ganz) entfällt, zu erklären.
Nimmt ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Urlaub, erhält er in diesem Zeitraum Urlaubsentgelt, d.h. seinen regulären Lohn, ausgezahlt.

7. Was passiert bei Erkrankung während der Kurzarbeit?
Während der Kurzarbeit bemisst sich auch der Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem während der Kurzarbeit ausgezahltem Lohn: Es verringert sich mit der Kurzarbeit also auch der Entgeltfortzahlungsanspruch entsprechend.

Ab der 7. Woche erhält der Arbeitnehmer Krankengeld, dessen Höhe sich zu seinen Gunsten nach dem ursprünglichen Gehalt, also dem Gehalt vor Einführung der Kurzarbeit, richtet: Die Höhe des Krankengeldes wird also nicht durch die angeordnete Kurzarbeit beeinflusst.

8. Dürfen Arbeitnehmer während der Kurzarbeit einer Nebentätigkeit nachgehen?
Ja. Die noch bis zum 31.12.2021 geltende Hinzuverdienstklausel sieht vor, dass Entgelt aus einer währen der Kurzarbeit aufgenommenen geringfügig entlohnten Beschäftigung anrechnungsfrei bleibt, sofern das Gesamteinkommen aus noch gezahltem Arbeitseinkommen, Kurzarbeitergeld und Hinzuverdienst das bisherige Nettoeinkommen nicht übersteigt. Dies gilt auch für Hinzuverdienste oberhalb der € 450,- Grenze. Bei einem höheren Nettoentgelt reduziert sich entsprechend das Kurzarbeitergeld.

9. Urlaubskürzung bei Kurzarbeit
Ob bei Kurzarbeit der Urlaubsanspruch zumindest anteilig wegfällt, ist von deutschen Gerichten noch nicht endgültig geklärt worden. Nach Ansicht des EuGH ist die Kurzarbeit mit der Teilzeitbeschäftigung vergleichbar, d.h. die Reduzierung der Arbeitszeit durch die Kurzarbeit kann wie bei Teilzeitbeschäftigten anteilig auch zur Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen (EuGH, Urteil v. 08.11.2012, C-229/11 u. C-230/11).
Zur Vermeidung von Unklarheiten sollte bis zur abschließenden Klärung der Frage in Deutschland möglichst schon bei Vereinbarung der Kurzarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geregelt werden, inwieweit durch die Kurzarbeit auch Urlaubsansprüche (anteilig) gekürzt werden. Zur Genehmigung und evtl. nachträglichen Entfall von Urlaubsansprüchen aufgrund Kurzarbeit s. oben unter Ziffer III.6)

IV. Betriebliche Mitbestimmung

1. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat verschiedene Mitbestimmungsrechte, die die neuen Regelungen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz betreffen:

  • Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gilt bei betrieblichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, bei denen der Arbeitgeber noch einen gewissen Handlungsspielraum hat. Dies ist bei aufgrund der COVID-19-Pandemie eingeführten betrieblichen Hygienevorschriften wie Abstandsregeln, Maskenpflicht, regelmäßige Desinfektion der Hände oder Verwendung von Schutzausrüstung der Fall. Insgesamt sind all diejenigen Maßnahmen betroffen, bei denen eine Handlungspflicht des Arbeitgebers zum Schutz vor Gesundheitsschäden objektiv besteht, aber mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen erforderlich sind, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.
  • Das Mitbestimmungsrecht für Regelungen zu Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist ebenfalls bei Anordnung von Hygienevorschriften betroffen.
  • Bei Einführung von Kurz- oder Mehrarbeit besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
  • Bei Anweisung zur Tätigkeit im Home Office greift das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Regelung zur Arbeitszeit).
  • Somit muss im Falle der geplanten Einführung von die Covid-19-Pandemie betreffenden betrieblichen Maßnahmen und Regelungen grdsl. der Betriebsrat beteiligt werden.
    Für die Einführung der Maßnahmen bietet sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung an, in der Einzelmaßnahmen und Verhaltensregeln normiert werden. Bei Gefahr im Verzug sind vom Arbeitgeber erforderlichenfalls vorläufige Sicherungsmaßnahmen einzuleiten, d.h. der Betriebsrat würde hierüber lediglich informiert und die Beteiligung im Übrigen sodann im Nachgang ordnungsgemäß nachgeholt werden.

2. Sonderbestimmung für virtuelle Betriebsratssitzungen, Einigungsstellen und Wirtschaftsausschüsse
Bis zum 30.06.2021 dürfen aufgrund der Covid-19-Pandemie nach § 129 Abs. 1 BetrVG Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Aufzeichnung ist unzulässig. Dasselbe gilt auch für Einigungsstellen und Wirtschaftsausschüsse, § 129 Abs. 2 BetrVG.
Auch Betriebsversammlungen (§§ 42, 53 und 71 BetrVG) dürfen mittels audiovisueller Einrichtungen abgehalten werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis vom Inhalt der Versammlung nehmen können, § 129 Abs. 3 BetrVG. Aufzeichnungen sind unzulässig.
Weiterhin nicht zulässig ist es hingegen, dass der Betriebsrat Beschlüsse im Umlaufverfahren (z.B. per E-mail) fasst.

Für weitere Fragen zum Thema steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Oliver Baumann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Oliver Baumann

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Online-Anfrage Profil

Ulrike Dörrie

Rechtsanwältin, Partnerin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht

Online-Anfrage Profil

Aktuelles

20. November 2023
Vermeidung einer geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung im Unternehmen
mehr lesen
25. Oktober 2023
Änderungen im deutschen Arbeitsrecht aus der nationalen Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie (RL 2019/1152/EU).
mehr lesen
1. Juli 2022
Wichtige Änderungen des Nachweisgesetzes per 01.08.2022 | Kurzfristige Handlungspflichten für die Arbeitgeber
mehr lesen
Casual Friday Look
ONOFF