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Montag, den 19. Mai 2025

Verkauf von Kunst oder Antiquitäten weit unter Wert – sittenwidrig?

Rechtsgebiete: Kunstrecht
Fokusthemen: Kunst- und Kulturgüterhandel

Manchmal stellt sich nach einer Versteigerung oder einem Verkauf heraus, dass das Kunstwerk erheblich mehr wert ist, als gedacht. Meist will sich dann eine Partei gerne wieder vom Kaufvertrag lösen. Und dies ist unter Umständen auch möglich, sagt Rechtsanwalt Dr. Louis-Gabriel Rönsberg, der Mandanten im Kunstrecht berät. Denn der Kunstkauf könnte wegen Sittenwidrigkeit nichtig oder wegen Irrtums anfechtbar sein.

Der Fall Poussin – Wie hätte deutsches Gericht entschieden?

Der Verkauf von Poussins Gemälde „Flucht nach Ägypten“ erregte 1986 in der Kunstwelt großes Aufsehen. Das Werk wurde in einer gemischten Auktion in Versailles als Werkstattarbeit von Poussin angeboten. Der Wert wurde mit 150.000,00 bis 200.000,00 Francs taxiert. Schließlich wurde das Gemälde für 1,6 Mio. Francs von zwei Galeristen ersteigert. Dabei war Kunstexperten klar: für ein echten Poussin war der Preis erheblich zu niedrig, für einen unechten erheblich zu hoch. Die beiden Kunsthändler waren bei der Auktion davon ausgegangen, dass das Gemälde von Poussin selbst stammt. Sie investierten viel Zeit und Geld in die Reinigung des Werkes sowie in Recherche und Werbung. Schließlich wurden sie von renommierten Experten in ihrer Annahme bestätigt.

Sobald der Sensationsfund festgestellt war, zog die Einlieferin in Paris vor Gericht und verklagte die Kunsthändler auf Rückgabe des Gemäldes. Dabei berief sich ihr Rechtsanwalt auf einen „Irrtum über den Vertragsgegenstand“, der nach französischem Recht zur Annullierung des Vertrages führt. Die Einlieferin gewann das Gerichtsverfahren durch alle Instanzen und erhielt das Gemälde zurück. Die Kunsthändler blieben auf erheblichen Kosten sitzen und schlossen aus Frustration und Unverständnis über das Gerichtsurteil ihre Galerie. Wie würden die Gerichte in Deutschland über einen solchen Fall urteilen? Im Ergebnis vermutlich ähnlich, stellt der im Kunstrecht tätige Rechtsanwalt Dr. Louis-Gabriel Rönsberg fest. Aber auch hier gibt es Ausnahmen.

Anfechtung des Kunst-Kaufvertrages wegen Irrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB

Auch in Deutschland kann ein Kunst- oder Antiquitäten-Kaufvertrag wegen Irrtums angefochten werden, so Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. Bereits im Jahr 1988 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verkäufer eines Gemäldes den Kaufvertrag gem. § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ anfechten kann, wenn er sich über die Identität des Malers geirrt hat. Dabei stellte der BGH zudem fest, dass es nicht darauf ankomme, ob mit dem Irrtum über die Identität des Malers auch ein Irrtum über den wirtschaftlichen Wert des Gemäldes verbunden ist. Es sei vielmehr auch auf die subjektive Wertschätzung des Verkäufers für das Kunstwerk oder die Antiquität abzustellen. Weiter kann den Verkäufer im Einzelfall auch ein Irrtum über die Provenienz des Kunstwerks, über dessen Herstellungsjahr oder die Existenz eines Gutachtens, das die Echtheit eines Kunstwerks bejaht, zur Anfechtung berechtigen.

Irrt sich der Verkäufer jedoch lediglich über den Marktwert des Kunstwerks oder schätzt diesen falsch ein, so stellt dies meist keinen Anfechtungsgrund dar. Denn der Marktpreis eines Kunstwerks oder einer Antiquität ist keine Eigenschaft des Objekts im Rechtssinne. Er ist nur ein Werturteil, so Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. Der Käufer des Objekts kann sich dagegen in der Regel nicht auf eine Irrtumsanfechtung berufen. Ihm stehen – im Gegensatz zum Verkäufer – die Rechte für Kaufmängel zur Verfügung (§§ 434 ff. BGB), die in den meisten Fällen die Irrtumsanfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB ausschließen.

Nichtigkeit des Kunst-Kaufvertrags wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB

Weiter kann ein Kaufvertrag über ein Kunstwerk oder eine Antiquität auch wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein. Dazu muss der Zuschlagspreis oder Kaufpreis und der wirtschaftliche Wert in einem „auffälligen Missverhältnis“ stehen. So hat der BGH etwa im Jahr 2001 einen Kaufvertrag über drei Grundstücke für nichtig gehalten. Diese hatten einen Wert von zusammen DM 860.000 und waren für einen Kaufpreis in Höhe von DM 100.000 verkauft worden. In anderen Fällen ließen Gerichte eine Wertdifferenz von 100 % genügen (sog. „Grenze des Doppelten“). Dabei geht es jedoch letztlich immer um eine Entscheidung im Einzelfall. So etwa beim Verkauf von Kunstwerken oder Antiquitäten im Rahmen einer Versteigerung. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich der Einlieferer damit abgefunden hat, dass sich der Kaufpreis durch die Nachfrage der Bieter bestimmt.

Neben dem „auffälligen Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung, gibt  es jedoch noch weitere Kriterien. Der Kaufvertrag muss auch auf einer „Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit“ oder „des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche“ beruhen. Sonst ist er nicht sittenwidrig und nichtig (vgl. § 138 Abs. 2 BGB). Und an diesem Erfordernis fehlt es oft, weiß Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. So hielt etwa das OLG Köln im Jahr 2006 einen über ein Online-Auktionshaus zustande gekommenen Kaufvertrag für wirksam gehalten. Dieser beinhaltete den Verkauf eines gebrauchten Gerätes mit einem Wert von € 60.000 für € 51. Dies wurde vom Gericht damit begründet, dass dem Verkäufer die Mechanismen der Online-Auktion aus Vorgeschäften bekannt waren. Der Käufer habe auch sonst keine Schwächesituation ausgenutzt.

Fazit: Ein zu gutes Geschäft kann den Käufer teuer zu stehen kommen

Es liegt in der Natur des Kunstmarktes, dass Händler, Galeristen, Sammler und Kunstinteressierte nach „Schnäppchen“ und unentdeckten Originalen suchen. Und immer wieder gelingt dies auch. Dies zeigt etwa er Fall des Perserteppichs, dessen Wert ein Auktionator auf € 900 geschätzt hatte. Etwa ein Jahr später wurde er bei Christie’s in London für 7,2 Millionen Euro verkauft. Allerdings kann die Freude über den Sensationsfund von kurzer Dauer sein, wenn der Verkäufer oder Einlieferer Ansprüche anmeldet. Ob diese Ansprüche berechtigt sind, ist jedoch immer eine Frage des Einzelfalls.  Dies sollte ein im Kunstrecht erfahrenen Rechtswalt prüfen, so Anwalt Dr. Louis Rönsberg.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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