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Dienstag, den 15. September 2020 Uhr

Galerie Gmurzynska | Zum Verfahren gegen das Museum Ludwig vor dem VG Köln und OVG Münster (Az. 13 L 1463/20; 15 B 1357/20)

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Anfang 2020 wurde bekannt, dass das Museum Ludwig, Köln, für Ende September eine Ausstellung mit dem Titel „Russische Avantgarde im Museum Ludwig – Original und Fälschung; Fragen, Untersuchungen, Erklärungen“ plant. Eine Gemälderestauratorin des Museums habe spendenfinanziert in Zusammenarbeit mit Laboratorien in Chicago und London eine kleine Anzahl von Arbeiten aus der über 600 Werke umfassenden Sammlung naturwissenschaftlich untersuchen lassen. In der Ausstellung wolle man nun „erste Ergebnisse“ präsentieren und anhand von 30 Werken Methoden vorstellen, die Falschzuschreibungen erkennbar machen. Insgesamt sei die Authentizität von 22 der 600 Kunstwerke in Zweifel gezogen.

Die Galerie Gmurzynska, aus deren Hause etwa 400 der 600 Kunstwerke der Sammlung Russische Avantgarde stammen und die international zu den führenden Experten für Kunst der Russischen Avantgarde zählt, hat dem Museum Ludwig seit dem Bekanntwerden der Ausstellungsplanung Hilfe bei der Recherche und Einordnung der Gutachtensergebnisse angeboten und dazu um deren Übersendung gebeten. Das Museum hat die Herausgabe jedoch seit Mai 2020 ohne nachvollziehbare Begründung verweigert. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens bestätigt und die Stadt Köln mit Beschluss vom 09.09.2020 (Az. 13 L 1463/20) verpflichtet, den Galeristen binnen drei Tagen mitzuteilen, bei welchen Kunstwerken aus der Sammlung Russische Avantgarde die Authentizität fraglich sein soll und ihnen binnen gleicher Frist die entsprechenden Gutachten zur Verfügung zu stellen. Die Stadt hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.09.2020 stattgegeben, da im Eilverfahren nicht auszuschließen sei, dass es sich beim Museum Ludwig um eine „Forschungseinrichtung“ handele, die ausnahmsweise von der allgemeinen Informationspflicht des Informationsfreiheitsgesetzes NRW (IFG NRW) befreit ist. Das Museum verfüge zwar wohl über keinen expliziten Forschungsauftrag, kein Forschungsbudget und es gebe auch keine entsprechende Forschungsstelle. Es sei aber bei einer summarischen Prüfung zumindest möglich, dass die Gemälderestauratorin des Museums, die sich nach Auskunft des Museums maßgeblich mit der Authentifizierung der Sammlung befasst, „Forschung“ betreibe. Eine entsprechende berufliche Qualifikation oder Spezialisierung als Provenienzforscherin oder Expertin für Russische Avantgarde hielt das Gericht damit nicht für erforderlich.

Die Galerie wurde in der Sache von Rechtsanwalt Dr. Louis-Rönsberg vertreten.

Zum Hintergrund:

Antonina Gmurzynska kam mit ihrer Tocher Krystyna in der Nachkriegszeit als eine von zwei Überlebenden ihrer Familie aus Polen nach Köln. Dort eröffnete die Visionärin 1965, zunächst noch mit einer Partnerin, eine Galerie und zeigte bereits 1967 die erste Ausstellung über die Russische Avantgarde. Seitdem zählt die Galerie Gmurzynska zu den weltweit führenden Experten für Russische Avantgarde, hält enge Verbindungen zu den maßgeblichen Museen und Künstlerfamilien und publiziert in diesem Bereich in enger Zusammenarbeit mit den international anerkannten Experten und Kuratoren.

Auch Peter und Irene Ludwig verfügten als Kunsthistoriker und Kunstliebhaber über hohe Expertise zur Russischen Avantgarde und reisten oft nach Russland, was im Jahr 1995 schließlich zur Gründung des „Museum Ludwig in St. Petersburg“ führte, einer Kooperation mit den Staatlichen Russischen Museen, die bis heute fortbesteht. Von 1976 an bis zum Tod von Peter Ludwig im Jahre 1996 erwarb das Ehepaar von Antonina Gmurzynska über 400 Arbeiten der Russischen Avantgarde und setzte damit den Grundstein für die heute außerhalb Russlands einzigartige Sammlung. Diese erfuhr in den letzten 40 Jahren einen enormen Wertzuwachs. Damals für ungefähr 17 Millionen Euro erworben, schätzte die FAZ den Wert bereits 2011 auf etwa 300 Millionen Euro (FAZ, 30.03.2011, „Irene Ludwig beschenkt Köln„). Heute dürfte er bei weit über 500 Millionen Euro liegen.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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