zurück
Samstag, den 23. Februar 2019 Uhr

Corporate Collection: Passt eine Kunstsammlung zum Gesellschaftszweck?

Rechtsgebiete: Kunstrecht

Seit Ende der 70er Jahre nimmt die Zahl von Kunstsammlung in Unternehmen in Deutschland ständig zu. Hatten anfänglich vornehmlich Großkonzerne wie die Münchner Rück, Vattenfall oder die Deutsche Bank eine Corporate Art Collection, so findet man diese heute vermehrt auch im Mittelstand. Aber ist der Unterhalt und Ausbau einer Kunstsammlung ohne weiteres mit der Corporate Compliance vereinbar? Denn Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer, die ihre Pflichten verletzen, haften der Gesellschaft persönlich für den daraus resultierenden Schaden (§ 93 Abs. 2 S. 1 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG). Einen klassischen Fall einer solchen Pflichtverletzung stellt die Ausgabe von Gesellschaftsvermögen für Zwecke dar, die nicht mit dem in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand vereinbar sind. Daraus ergibt sich die Frage, ob auch der Ankauf von Kunst eine persönliche Haftung der Geschäftsführung begründen kann. Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, der auf Kunstrecht und Gesellschaftsrecht spezialisiert ist, gibt einen ersten Überblick.

Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand

Zwar macht sich ein Mitglied des Vorstandes oder der Geschäftsführung persönlich haftbar, wenn es Unternehmensgelder zweckentfremdet verwendet. Gemäß § 93 Abs. 1, S. 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung jedoch dann nicht vor, „wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Der Vorstand hat mithin einen Ermessenspielraum, ob eine Maßnahme zum Wohle der Gesellschaft ist, auch wenn sie nicht explizit vom Gesellschaftszweck erfasst wird. Aber wann wird denn nun eine Corporate Collection im konkreten Fall vom Gesellschaftszweck erfasst und was unterscheidet diesen vom Unternehmensgegenstand?

Im Aktiengesetz wird anders als im GmbHG nicht zwischen dem Unternehmensgegenstand und dem Zweck der Gesellschaft unterschieden. Dennoch ist davon auszugehen, dass den beiden Begriffen auch im Aktienrecht unterschiedliche Bedeutungen beizumessen sind. Der Gesellschaftszweck einer AG liegt regelmäßig in der Erwirtschaftung von Gewinnen, kann aber auch ganz und gar sozialer, ideeller und gemeinnütziger Natur sein. Der Unternehmensgegenstand hingegen bezeichnet die Tätigkeit, mit der der Gesellschaftszweck erreicht werden soll. Er kann sehr detailliert festgelegt sein und begrenzt auf diese Weise die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes. Die Unterhaltung oder Erweiterung einer Corporate Collection könnte also sowohl mit dem Gesellschaftszweck als auch mit dem Unternehmensgegenstand kollidieren. Aber wann tut sie dies?

Nutzen von Kunst im Unternehmen

Um die Frage beantworten zu können, ob eine Kunstsammlung mit dem Gegenstand oder Zweck eines Unternehmens zu vereinbaren ist, muss zunächst geklärt werden, welchen Nutzen diese für die Gesellschaft haben kann. Und der ist vielfältig; denn der Ursprung vieler Unternehmenssammlungen liegt nicht etwa im reinen Mäzenatentum eines Inhabers, Vorstandes oder Geschäftsführers. Er ergibt sich vielmehr regelmäßig aus rein unternehmerischen Gesichtspunkten. So werden die meisten Corporate Collections beispielsweise nicht in speziellen Ausstellungsräumen oder gar Museen präsentiert, sondern sie dienen ganz praktisch der Dekoration der Geschäftsflächen, werten diese ästhetisch auf und verbessern dadurch das Arbeitsklima.

Aber was ist der Vorteil von „echter“ Kunst im Unternehmen, wo sich doch Räume auch mit günstigen Kunstdrucken gestalten lassen? Durch die Ausgestaltung mit hochwertiger Kunst teilt sich den Arbeitnehmern eine höhere Wertschätzung mit, die zu einer höheren Mitarbeitermotivation und Loyalität führen kann. Ästhetisch ansprechende und repräsentative Büroräume erhöhen das Sozialprestige und damit die Attraktivität im Kampf des Unternehmens um gut qualifizierte Mitarbeiter. Zudem können Kunstwerke im Unternehmen Diskurse zwischen den Mitarbeitern anregen, kreative und innovative Impulse geben und den geistigen Horizont erweitern. Das Sehen, Vergleichen, Interpretieren und Neuverknüpfen eines Kunstwerks kann einspirierende Wirkung haben.

Auch aus diesen Gründe hat beispielsweise die Deutsche Bank AG seit 1979 unter dem Motto „Kunst am Arbeitsplatz“ eine Firmenkollektion aufgebaut, die mittlerweile mehr als 50.000 Kunstwerke zählt. Auch diese Arbeiten befinden sich nicht in einem Museum oder Kunstdepot, sondern sind im Wesentlichen auf unzählige Standorte der Bank rund um die Welt verteilt und erfreuen dort die Mitarbeiter. Das ist auch der Grund dafür, dass der Wert der meisten in der Sammlung befindlichen Arbeiten „nur“ im mittleren vierstelligen Beriech liegt. Gleichzeitig erhöht eine Corporate Art Collection natürlich auch die Repräsentativität des Unternehmens nach außen. Besondere Eigenschaften der Kunst wie Modernität, Kreativität, Weltoffenheit oder Progressivität können von der Kunst auf das Unternehmen abstrahlen.

Richtig eingesetzt, stellt eine Corporate Collection weiter ein interessantes Marketinginstrument dar. Sie kann im Rahmen von Leihgaben oder Wanderausstellungen beim Publikum zu einer positiven Verknüpfung der Marke des Unternehmens mit Werten wie Modernität, Kreativität, Weltoffenheit oder Progressivität führen und die Übernahme sozialer und kultureller Verantwortung in der Gesellschaft durch das Unternehmen nach außen deutlich machen. Zudem kann die Berichterstattung über die Sammlung im Allgemeinen oder eine bestimmte Ausstellung im Besonderen die positive Wahrnehmung der Marke in der Bevölkerung erhöhen. Die Einbindung von Mitarbeitern über Kunstveranstaltungen kann die Identifikation mit dem Unternehmen stärken.

Nicht zuletzt sehen gerade große Unternehmen die Förderung von Kunst- und Kultur auch als Teil ihrer Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung (Corporate Social Responsibility). Der Ankauf von zeitgenössischer Kunst am Primärmarkt kommt Künstlern zugute. Die Ausstellung und Konservierung der Sammlung fördert die Volksbildung und den Kulturbestand. Schließlich können mit einer gut kuratierten Kunstsammlung über die Jahre auch beträchtlich stille Reserven geschaffen werden, wie etwa der Verkauf der Plastik „L’homme qui marche I“ von Giacometti zeigte, den die Commerzbank 2010 für 104 Mio. US-Dollar verkaufte, nachdem er sich 30 Jahre in der Sammlung der Dresdner Bank befunden hatte.

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, das eine Kunstsammlung dann nicht explizit im Gesellschaftszweck der Satzung Erwähnung finden muss, wenn sie nicht Selbstzweck ist, sondern dem Unternehmen auf andere Weise dient. Dies sollte nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg schon dann der Fall sein, wenn die Sammlung wenigstens größtenteils zur Dekoration der Betriebsstätten verwendet wird. Ob eine konkrete Maßnahme der Geschäftsführung gegen die Satzung eines Unternehmens verstößt und ob sich daraus eine persönliche Haftung ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls die jeweil individuell geprüft werden sollte.

Für Fragen zum Thema Corporate Collection bzw. Unternehmenssammlung steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Online-Anfrage Profil

Aktuelles

7. November 2023
Kunstdiebstahl und Kunstraub: Rechtsberatung durch Experten
mehr lesen
3. November 2023
Strafbarkeit der Einfuhr und Ausfuhr von Kunst und Antiquitäten
mehr lesen
2. November 2023
Kunstauktion: Welche Rechte hat der Ersteigerer beim Kauf einer Fälschung in einer Auktion?
mehr lesen
Casual Friday Look
ONOFF