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Donnerstag, den 20. Dezember 2012 Uhr

BGH: Entgangener Gewinn des Anlegers in Höhe von 4 Prozent unwahrscheinlich

Rechtsgebiete: Kapitalmarktrecht

Anleger haben im Rahmen von Klagen auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in der Vergangenheit oftmals als Nebenschaden einen entgangenen Gewinn geltend gemacht. Dabei wurde in der Regel pauschal vorgetragen, der Anleger hätte das Kapital ohne die Beratung anderweitig gewinnbringend angelegt und damit mindestens einen Zinsertrag in der Größenordnung von etwa 4 bis 6 Prozent p. a. erzielt. Die Instanzgerichte folgten diesem Vortrag immer wieder und hielten eine entsprechenden Gewinn – der Rechtsprechung des BGH folgend – für überwiegend wahrscheinlich. Denn mit Urteil vom 02.12.1991 (Az. II ZR 141/90 – juris) hatte der BGH einem Anleger noch einen entgangenen Gewinn i. H. v. 7 % p. a. zugebilligt und dabei ausgeführt, dass sich ein Schaden in dieser Höhe „typischerweise“ daraus ergebe, dass „das Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre“ (a.a.O., Rz. 14).

Die Zeiten, in denen Gewinne in der Größenordnung von 7 Prozent p.a. üblich waren, sind offensichtlich vorbei. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24.04.2012 (Az. XI ZR 360/11 – WM 2012, 1188) festgestellt, dass nunmehr nicht mehr angenommen werden könne, dass eine andere Anlageform nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge „mit Wahrscheinlichkeit gewinnbringend gewesen und mindestens den gesetzlichen Zinssatz erbracht hätte“ (a.a.O., Rz. 9). Denn die Alternativanlage sei stets vom individuellen Anlageverhalten abhängig. Zudem zeigten auch die Statistiken der Deutschen Bundesbank für Umlaufrenditen von Bundesanleihen und festverzinslichen Wertpapieren nur einen Zinsgewinn von 2 bis 3 Prozent. Ein wahrscheinlicher Mindestgewinn könne daher nicht angenommen werden. Wie der Senat aus zahlreichen Verfahren wisse, „entspricht es schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft“ (a.a.O., Rz. 18).

Will ein Anleger dennoch einen entgangenen Gewinn geltend machen, so wird er konkret nachweisen müssen auf welche Weise er das Kapital angelegt hätte, wenn ihm die betreffende Kapitalanlage nicht empfohlen worden wäre und welchen Gewinn er damit erzielt hätte. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, kann der Anleger dabei leicht in Widerspruch zu seinem Vortrag in der Hauptsache geraten. Etwa dann, wenn er einerseits Schadensersatz wegen der Empfehlung eines zu riskanten Produkts geltend macht und dann vorträgt, er hätte sein Geld ohne die Beratung ebenso in eine sehr gewinnträchtige und damit risikoreiche Anlage investiert.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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