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Donnerstag, den 13. September 2012 Uhr

Verbraucherkreditrecht – Unterschrift auf digitalem Schreibtablett problematisch

Rechtsgebiete: Bankrecht

Das Oberlandesgericht München hat mit Urteil vom 04.06.2012 (Aktenzeichen: 19 U 771/12) festgestellt, dass bei einem Verbraucherdarlehensvertrag die Unterschrift des Kunden auf einem elektronischen Schreibtablett bzw. Schreibpad nicht der erforderlichen Form entspricht.

Der Kläger hatte in einem Elektronikmarkt einen Fernseher gekauft, der nach einem Angebot des Händlers über einen Kredit (Verbraucherkredit) einer kooperierenden Bank finanziert werden sollte. Der Abschluss des Kreditvertrags kam so zustande, dass dem Kläger der Vertrag sowie die Widerrufsbelehrung nicht in Papierform, sondern auf einer digitalen Schreibunterlage, einem sog. Tablett, vorgelegt wurden. Der Kläger unterschrieb auf dem Display. Anschließend wurde der Kaufvertrag ausgedruckt und der Kläger erhielt eine Abschrift. Die Widerrufsfrist betrug zwei Wochen. In der Folge wurde das Fernsehgerät an den Kläger geliefert. Zweieinhalb Wochen später erklärte der Kunde der Bank den Widerruf des Kreditvertrages. Die Bank vertrat jedoch die Ansicht, der Widerruf sei eine halbe Woche zu spät erfolgt und damit unwirksam.

Klage vor dem Landgericht München I auf Feststellung des wirksamen Widerrufes

Daraufhin klagte der Kunde vor dem Landgericht München I (Aktenzeichen: 22 O 14798/11) auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufes. Dabei machte der Kläger unter anderem geltend, die Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt des Widerrufes noch nicht abgelaufen gewesen, da der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen sei. Die digitale Unterschrift entspreche nicht dem Formerfordernis des § 126 BGB, der Schriftform. Diese Klage wurde jedoch vom Gericht mit Urteil vom 13.01.2012 mit der Begründung abgewiesen, der streitgegenständliche Vertrag habe der Schriftform für Verbraucherdarlehensverträge genügt. Dabei verglich das Gericht das digitale Tablett mit einer Schiefertafel, die ebenfalls geeignet sei, Schriftzeichen dauerhaft festzuhalten. Der Widerruf sei in der Folge verspätet erfolgt. Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung vor dem Oberlandesgericht München ein.

Die Unterschrift auf einem digitalen Schreibtablett genügt nicht der erforderlichen Form

Das Oberlandesgericht gab mit Urteil vom 04.06.2012 (Aktenzeichen 19 U 771/12) dem Kläger Recht. Es hielt den Darlehensvertrag für formnichtig, da die Unterschrift auf dem digitalen Tablett weder der Schriftform des § 126 BGB noch der elektronischen Form des § 126 a BGB entspreche. Denn eine schriftliche Urkunde im Sinne des § 126 BGB setze dauerhaft verkörperte Schriftzeichen auf einem Schreibmaterial gleicher Art voraus. Dies sei bei einem elektronischen Pad nicht gegeben. Zwar habe der dem Kläger übergebene Ausdruck grundsätzlich der Schriftform entsprochen, diesem fehle jedoch die eigenhändige Namensunterschrift des Kunden. Zudem fehle auch eine Namensunterschrift eines Vertreters der Bank. Die elektronische Form des § 126 a BGB sei ebenfalls nicht gewahrt, weil dafür eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz erforderlich sei.

Das OLG stellte weiter fest, dass die Formnichtigkeit des Darlehensvertrages zwar grundsätzlich durch die Gewährung des Darlehens geheilt worden sei. Aufgrund der Formnichtigkeit des Vertrages, habe jedoch die Widerrufsfrist erst später zu laufen begonnen und sei daher zum Zeitpunkt des Widerrufes noch nicht abgelaufen gewesen. Denn die Frist beginne erst mit dem Abschluss des Vertrages zu laufen und als solcher sei hier erst der Zeitpunkt der Heilung anzusehen. Weiter habe der Kläger auch nie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erhalten.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, stellt zu dieser Entscheidung fest, dass die Unterschrift auf einem digitalen Schreibpad bzw. Tablett zwar eine Reihe von Vorteilen in der Vertragsabwicklung und Verwaltung bietet, aber auch erhebliche Nachteile bedeuten kann. Ist das Verfahren in manchen Bereichen – wie etwa der Postzustellung – heute nicht mehr wegzudenken, so ergeben sich in anderen Bereichen aufgrund von Formvorschriften erhebliche Rechtsunsicherheiten und Nachteile. Letztlich bleibt abzuwarten, ob sich hier die Gesetzgebung und Rechtsprechung der technischen Fortentwicklung anpassen wird, wie sie das etwa in Bezug auf die Bewertung der Authentizität von Faxnachrichten im Laufe der Jahre getan hat.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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