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Freitag, den 28. Juli 2017 Uhr

Bürgschaft – Kann sich der Bürge gegen die Forderung des Gläubigers wehren?

Rechtsgebiete: Bankrecht

Wird ein Bürge aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen, so stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise er dagegen vorgehen kann. Denn in der Regel haftet der Bürge für die Hauptforderung mit seinem gesamten persönlichen Vermögen. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, gibt es immer wieder Fälle in denen Bürgen an den Bürgschaftsgläubiger zahlen, obwohl sie dazu eigentlich nicht verpflichtet wären.

Haftung aus Bürgschaft setzt wirksamen Bürgschaftsvertrag voraus

Für den Rechtsanwalt stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt eine Bürgschaft besteht, d.h. ob der Bürgschaftsvertrag (§ 765 BGB) wirksam ist. Denn der Bürgschaftsvertrag begründet einen eigenen schuldrechtlichen Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen der neben den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner tritt. Bürge und Hauptschuldner sind somit keine Gesamtschuldner.

Zunächst bedarf die Bürgschaft der Schriftform (§ 766 S. 1 BGB). Andernfalls ist der Bürgschaftsvertrag gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Etwas anderes gilt für einen Kaufmann, wenn die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft ist (§ 350 HGB). Weiter muss der Vertrag am Textende unterschrieben werden. Eine „Oberschrift“ oder „Nebenschrift“ genügt dem Formerfordernis dagegen nicht. Zudem setzt die Bürgschaft gem. § 766 BGB „schriftliche Erteilung“ voraus. Dazu muss die Urschrift der Bürgschaftserklärung an den Gläubiger übermittelt werden. Eine Erteilung der Bürgschaft per Telefax, Email oder in anderer elektronischer Form, genügt daher nicht und führt ggf. zur Unwirksamkeit der Bürgschaft. Etwas anderes kann sich jedoch im Ausnahmefall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Schließlich müssen im Bürgschafsvertrag neben dem Bürgen auch Gläubiger und Hauptschuldner sowie die gesicherte Forderung hinreichend bestimmbar festgelegt sein.

Weiter kann ein Bürgschaftsvertrag wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, so etwa im Falle einer krassen finanziellen Überforderung naher Angehöriger, die die Bürgschaft lediglich aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner abgegeben haben. Die Unwirksamkeit einer Klausel in einem Bürgschaftsvertrag kann auch dann gegeben sein, wenn sie eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt und überraschend ist (§ 305c Abs. 1 BGB). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Bürgschaft auf einen speziellen Kredit bezieht, der Bürge aber über diesen Betrag hinaus haften soll. Eine formularmäßige Zweckerklärung, die die Bürgenhaftung über die Verbindlichkeit des Hauptschuldners, aus deren Anlass die Bürgschaft erfolgt, auf alle zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung zwischen Bank und Schuldner ausdehnt, kann gegen § 307 BGB verstoßen.

Bürgschaft noch wirksam oder anfechtbar?

Dass eine Bürgschaft zunächst wirksam bestand, heißt nicht, dass sie auch wirksam fortbesteht. Der Anwalt wird mithin prüfen, ob der Anspruch des Gläubigers aus der Bürgschaft untergegangen oder anfechtbar ist. Weiter können sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für den Gläubiger Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bürgen ergeben, die im Falle einer groben Verletzung zu einer Verwirkung der Bürgschaftsforderung oder zu einem Anspruch des Bürgen gegen den Gläubiger auf Schadensersatz in Form einer Freistellung aus der Bürgschaftsverpflichtung führen. Ist der Bürge ein Verbraucher und ist der Bürgschaftsvertrag in einer Haustürsituation zustande gekommen, so kann ihm zudem ein Widerrufsrecht zustehen (§§ 312, 312a BGB).

Der Rechtsanwalt wird weiter prüfen, ob dem Bürgen gegen die Bürgschaft ein Anfechtungsrecht zusteht. Der Bürge kann die Bürgschaft zum Beispiel anfechten, wenn ihm bei Vertragsschluss nicht klar war, dass er mit der Bürgschaft eine Haftung übernimmt oder wenn er über die Höhe der Bürgschaft irrte (§ 119 BGB). Weiter kann der Bürge die Bürgschaft anfechten, wenn er zur Abgabe der Erklärung durch widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist (§ 123 Abs. 1 BGB) oder bei einer arglistigen Täuschung (§ 123 Abs. 2 BGB), etwa über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners.

In der Praxis verpflichtet sich in der Regel der Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger eine Bürgschaft zu beschaffen (Sicherungsabrede). Ist diese Sicherungsabrede unwirksam oder fällt der Sicherungszweck weg, so ist der Hauptschuldner berechtigt die Rückgewähr der Bürgschaft und die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen zu verlangen. Ist die Sicherungsabrede wirksam aber wird der Bürge vom Gläubiger entgegen der Sicherungsabrede in Anspruch genommen, so kann dem Hauptschuldner aus der Sicherungsabrede ein Anspruch gegen den Gläubiger auf Unterlassung zustehen. Hat der Bürge trotz Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bereits gezahlt, so kann dem Hauptschuldner gegen den Gläubiger ein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehen. Dem Bürgen selber stehen diese Rechte dagegen nicht zu, da er nicht Vertragspartei der Sicherungsabrede ist. Er kann sich jedoch ggf. gemäß § 768 Abs. 1, S. 1 BGB auf den dem Gläubiger zustehenden Rückgewähranspruch berufen oder die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegenhalten.

Weiter prüft der Anwalt, ob überhaupt eine fällige und einredefreie Hauptforderung besteht. Denn die Bürgschaft ist abhängig von der Entstehung und dem Fortbestand der zu sichernden Hauptforderung (Akzessorietät), § 767 BGB. Ist die gesicherte Forderung nicht wirksam entstanden, so ist die Bürgschaft gegenstandslos. Der Gläubiger kann vom Bürgen mithin bestenfalls das verlangen, was er auch vom Hauptschuldner verlangen kann. Fraglich kann weiter sein, ob der Bürge auch für Zinsen aus der Hauptschuld haftet. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Bürgschaftsvertrages oder ist andernfalls vom Rechtsanwalt im Wege der Auslegung zu ermitteln.

Leistungsverweigerungsrechte gegen die Bürgschaft

Abschließend wird der Rechtsanwalt prüfen, ob dem Bürgen Leistungsverweigerungsrechte gegen die Bürgschaft zustehen. So wirkt etwa die Rechtskraft eines zu Gunsten des Gläubigers gegen den Hauptschuldner ergangenen Urteils nicht gegen den Bürgen. Weiter kann sich der Bürge etwa auf Verjährung der Hauptforderung berufen, dies auch dann, wenn die Verjährung erst eingetreten ist, nachdem der Bürge bereits verurteilt wurde. Denn auch hier gilt der Grundsatz der strengen Akzessorietät, dass heißt der Abhängigkeit der Schuld des Bürgen von dem Bestand der Hauptforderung. Der Rechtsanwalt kann hier für den Bürgen ggf. die Verjährungseinrede im Wege der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO geltend machen.

Weiter kann sich der Bürge auf eine fehlende Fälligkeit, eine Stundung der Hauptforderung oder auf die Einreden der §§ 273, 320 BGB und §369 HGB berufen. Ferner stehen dem Bürgen eigene Einreden zu, etwa gem. § 770 Abs. 1 BGB, wenn die Hauptforderung vom Hauptschuldner angefochten werden könnte oder gem. § 770 Abs. 2 BGB, wenn der Hauptschuldner gegen den Gläubiger eine fällige Forderung hat, durch die sich der Gläubiger im Rahmen einer Aufrechnung befriedigen könnte. Der Bürge hat insofern ein Leistungsverweigerungsrecht.

Weiter steht dem Bürgen gem. § 771 BGB die Einrede der Vorausklage zu, wonach er die Befriedigung des Gläubigers verweigern kann, bis dieser gegen den Hauptschuldner einen Zwangsvollstreckungsversuch unternommen hat. Dieses Leistungsverweigerungsrecht kann allerdings aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen sein. Schließlich kann dem Bürgen gegen die Inanspruchnahme durch den Gläubiger auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Einrede der Verwirkung zustehen, etwa dann, wenn der Gläubiger den Bürgschaftsfall selber herbeigeführt hat und den Rückgriff des Bürgen gegen den Hauptschuldner unmöglich macht.

Fazit:

Die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft kann aus verschiedensten Gründen rechtswidrig sein. Weiter kann dem Bürgen aus verschiedenen Gründen ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. Ob eine Bank, eine Sparkasse oder ein anderer Gläubiger gegen den Bürgen einen Zahlungsanspruch hat, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, die von einem im Bankrecht bzw. Bürgschaftsrecht versierten Rechtsanwalt geprüft werden sollte.

Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, steht für Rückfragen zur Bürgschaft und zu anderen Sicherungsrechten gerne zur Verfügung.

Verfasser des Artikels

Dr. Louis Rönsberg

Rechtsanwalt, Partner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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